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"Tatort"- Kritik "Tatort"- Kritik: Ermittlerin mit Hakenkreuz auf dem Bauch

Von Michael Kohler 09.01.2015, 16:02

Darum ging es

Der Anführer der Dortmunder Neo-Nazi-Szene wird ermordet und gibt in einem stillgelegten Hochofenwerk eine hässliche Leiche ab. Wie sich herausstellt, wurde gegen den Toten wegen Mordes ermittelt – allerdings wusste dieser immer schon vorher, was die Polizei gegen ihn in der Hand hat. Es gibt also einen Informanten im Polizeipräsidium, der mit dem rechten Mob unter einer Decke steckt. Auf halber Strecke des „Tatort“ lässt sich Kommissarin Nora Dalay (Aylin Tezel) von einem Rudel Neo-Nazis in eine Falle locken – und bekommt ein Hakenkreuz auf den Bauch gesprüht.

Das war der Schuldige

Auf den netten Hauptkommissar Krüger (Robert Schupp) hätte man als Verräter wetten können, denn als Ersatz für den vom Fall abgezogenen Kossik (Stefan Konarske) ist er am ehesten verzichtbar. Der zwielichtige Staatsanwalt wird schließlich noch gebraucht und die anderen verdächtigen Polizisten geben einfach zu gute Gegenspieler für Faber ab. Irgendwann wird dann auch klar, dass die Neo-Nazis für einen kaltblütigen Mord eher nicht in Frage kommen – und schon steht Krüger auch als Täter fest. Die Auflösung kommt ein bisschen Holterdipolter, aber das kann schon mal passieren, wenn es viel zu erzählen gibt und trotzdem nach 90 Minuten Schicht ist.  

So war die Inszenierung

Bei der Darstellung des Neo-Nazi-Milieus wollen öffentlich-rechtliche Filmemacher in der Regel vor allem nichts verkehrt machen – und trauen sich dann wenig zu. Bei Nicole Weegmann (Regie) und Jürgen Werner (Drehbuch) ist das anders. Sie stellen eine kleine Typologie der rechten Szene auf – vom Skinhead über den „Intellektuellen“ bis zur Blut-und Boden-Kindergärtnerin – und schaffen es, die rechte Szene weder zu verharmlosen noch zu dämonisieren. Auch in der Sequenz, in der Nora Dalay von einem halben Dutzend Neo-Nazis überfallen wird, wird die Inszenierung niemals reißerisch. Gerade deswegen geht sie einem an die Nieren.

Der Faber-Faktor

„Normalerweise sitze ich immer so da.“ Sagt Peter Faber (Jörg Hartmann) zum überführten und schwer suizidalen Krüger, als der mit der Pistole in der Hand am Tatort kauert. Auch sonst ist Faber nicht mehr das traumatisierte Nervenbündel der ersten Folge, sondern ein Ermittler, der Kraft aus seinen Seelenqualen schöpft. Faber kann gleichzeitig verständnisvoll und rücksichtslos sein, er manipuliert seine Kollegen beinahe nach Belieben, ist weiterhin nicht gesellschaftsfähig – aber bei all‘ dem mittlerweile hochfunktional. So mausert sich Faber allmählich zum Dr. House der „Tatort“-Reihe – eine glückliche Wendung für die eher durchwachsen gestarteten Dortmunder.

Fazit

Mehr Lokalkolorit geht nicht, denn so stolz Dortmund auf seine Vergangenheit als Industriemetropole ist, so peinlich ist der Stadt ihr Image als Hochburg rechter Gewalt. Drehbuchautor Jürgen Werner kennt in dieser Hinsicht keinen falschen Lokalpatriotismus – er lässt sogar Neo-Nazis die Tore des heiligen BVB bejubeln. Einzige Kritik an dieser mutigen „Tatort“-Folge: Die Ermittler sind etwas zu sehr involviert. Kossiks Bruder ist ein Nazi-Mitläufer, und Dalay würde einem adretten Nazi-Jüngelchen schon beim ersten Verhör am liebsten an die Gurgel springen.