Tatort: Der frühe Abschied
Frankfurt/Main/dpa. - Der Tod eines kleinen Kindes lässt niemanden kalt und mit Schuldzuweisungen sind viele schnell bei der Hand.
«Das ganze Land sieht doch überall nur noch Kindsmörderinnen», sagt die Frankfurter Kommissarin Charlotte Sänger in der neuesten Folge der ARD-Krimireihe «Tatort», die am Pfingstmontag (20.15 Uhr) zu sehen ist, mit einer tragischen Thematik und kaum erträglichen Schockszenen.
Es geht in «Der frühe Abschied» um eine junge, wenig begüterte Familie, denen der Junge eines drei Monate alten Zwillingspaares wegstirbt. Der Ehemann verdächtigt spontan seine labile Frau, dem Baby etwas angetan zu haben und äußert diese Vermutung auch gegenüber den Kommissaren Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) und Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki). Es finden sich immer mehr Indizien, die für die Schuld der jungen Frau sprechen, doch von der Lösung des Falles ist das Duo des Hessischen Rundfunks weit entfernt.
Der Kriminalfilm ist die letzte populäre Form des Fernsehens, gesellschaftlich relevante Themen zur besten Sendezeit in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Regisseur Lars Kraume in seinem zweiten «Tatort»-Film und Drehbuchautorin Judith Angebauer reizen diese ältere Erkenntnis bis an ihre Grenze aus, so dass die klassische Tätersuche fast ganz auf der Strecke bleibt. Gleichwohl ist ihnen ein qualitätsvoller Fernsehfilm über das heikle Thema «plötzlicher Kindstod» gelungen, wie er selten zu sehen ist.
Sie können in dem beklemmenden Drama vor allem auf die jungen Hauptdarsteller Lisa Hagmeister und Tom Schilling setzen, die alle Verzweiflung und Überforderung in ruhigen, fahlen Bildern überaus glaubhaft auf den Bildschirm bringen. Für ihre Leistungen haben sie bereits den Sonderpreis beim Deutschen FernsehKrimi-Festival erhalten.
Umso unverständlicher ist daher der Griff zur kalkulierten Schockstrategie, für die wieder einmal die Rechtsmedizin herhalten muss. Die Obduktion eines Säuglings, da wollen nicht nur Dellwo und Staatsanwalt Scheer nicht mehr hingucken. Warum ausgerechnet das Krimi-Flaggschiff der ARD sich immer mehr dem Grusel der rechtsmedizinischen Katakomben hingibt - gerade erst in der vergangenen Woche hatte es der Wiener Chefinspektor Moritz Eisner mit ganzen Leichenbergen zu tun - bleibt nur schwer nachvollziehbar.