Susanne Klatten spricht über die Erpressung
München/dpa. - Nicht am Geld gemessen, nicht um des Reichtums willen umschwärmt, am besten: gar nicht erst erkannt werden. Die BMW- Großaktionärin und reichste Frau Deutschlands, Susanne Klatten, hat stets alles getan, damit ihr Privatleben in Diskretion verläuft.
Ihren Mann Jan Klatten lernte die Münchner Quandt-Erbin bei BMW unter fremdem Namen kennen: als Susanne Kant. Nach Jahrzehnten der Vorsicht und Zurückhaltung fällt ausgerechnet sie auf einen Mann herein, der es nur auf ihr Geld abgesehen hat und sie mit intimen Bildern erpresst. Und ausgerechnet damit gerät sie mehr denn je in die Schlagzeilen. Drei Wochen nach Bekanntwerden der Affäre hat sich die 46-jährige Mutter dreier Kinder erstmals selbst geäußert.
«Das tut mir weh», sagte sie der «Financial Times Deutschland» mit Blick auf die vielen Medienberichte. «Man muss sich distanzieren, einen Schutz aufbauen. Sonst droht es mir schlecht zu gehen.» Der Mann, der auch andere reiche Frauen um Geld erleichtert haben soll, wartet inzwischen in München-Stadelheim auf seinen Prozess. Klatten hatte den 43-jährigen Schweizer Helg Sgarbi angezeigt, als ihr klar wurde, dass er sie getäuscht hatte. Noch in diesem Jahr will die Staatsanwaltschaft München Anklage erheben, im Frühjahr könnte der Prozess beginnen.
Bisher hatte nur Klattens Sprecher knapp, aber unmissverständlich zu dem Fall Stellung genommen. Offenbar war Klatten von Anfang an entschlossen, nicht erst ein Lügengebäude über den Hintergrund der Erpressung aufzubauen, sondern öffentlich zu dem zu stehen, was vorgefallen war. Doch was dann kommt, trifft sie heftiger als erwartet. Auf den Titelseiten prangt ihr Foto, Talkshows befassen sich mit ihrer Geschichte. Konnte sie sich vorher oft unerkannt in der Öffentlichkeit bewegen, so ist ihr Gesicht nun binnen drei Wochen weithin bekanntgeworden.
In einem dreiseitigen Porträt zeichnet die «FTD», mit der Klatten über ihre kleinste Firma UnternehmerTUM im Bereich Gründeraktivitäten kooperiert, ein Bild der Frau, die als Großaktionärin und Aufsichtsrätin die Geschicke des Autobauers BMW und des Chemie- Unternehmens Altana mitsteuert. Sie habe Gartenarchitektur studieren wollen, aber: «Ich bin davor zurückgeschreckt, einen ganz eigenen Weg zu gehen.» Stattdessen studiert sie in England und Lausanne Wirtschaft, die Mitstudenten wissen lange nicht, wer sie ist. «Freisein von Nachnamen», nennt sie das. «Es war ein tolle Zeit. (...) Das wünsche ich meinen Kindern, dass sie nur nach ihrem Vornamen gesehen werden. Das ist ein große innere Freiheit, die man braucht, um sich zu entwickeln, um sich selbst kennenzulernen.»
Ihr Vater stirbt, als sie 20 ist. Früh trägt sie große Verantwortung. Bei allem Pflichtgefühl noch zu leben, fällt ihr nicht immer leicht. «Diesen Gegenpol zu der Disziplin und der Geltung, um den muss man sich täglich neu bemühen», sagt sie. «Darf ich das Leben genießen? Darf ich mal einen Tag freimachen? Diese Perforation des Pflichtgefühls, die muss ich mir erarbeiten. Sonst zerbricht man.» Immer wieder schweift sie zum unpersönlichen «man», wenn sie doch höchstpersönlich sich selbst meint.
Vielleicht hat sie einmal freigenommen von all der Pflicht, als sie im Sommer 2007 in einem Wellnesshotel in Tirol Sgarbi kennenlernt. Eines Tages erzählt ihr der Schweizer, der sechs Sprachen sprechen und Offizier der Schweizer Armee gewesen sein soll, er habe das Kind einer Mafia-Familie angefahren. Nun brauche er Geld. Sie gibt ihm rund 7 Millionen Euro. Doch nach dem Ende der Beziehung schickt er Drohbriefe, fordert weitere Millionen.
«Wie konnte das passieren?», fragt sich Klatten heute, und sie erklärt sich selbst: «Es verletzt mich, wenn ich immer nur im Maß des Geldes gemessen werde. Geld bewertet nicht, was oder wer ich bin. Es zieht einen Vorhang vor mich, der mich überhaupt nicht zeigt. Ich möchte aber gesehen werden, als Mensch. Daraus hat sich ein für mich gefährliches Anliegen entwickelt, mich mitzuteilen. Und das kann manchmal bei den falschen Leuten passieren.»
Jetzt wird sie gesehen. Das, was sie wollte und doch nie wollte, ist eingetreten. Und gerade jetzt zollen ihr viele Respekt für ihren Umgang mit der bitteren Affäre. «Ich habe viele Briefe bekommen. Von Freunden, von Kollegen, von alten Klassenkameraden, die ich seit 35 Jahren nicht mehr gesehen habe», sagt sie. «Das berührt mich. Ich werde sehr wohl als Mensch wahrgenommen.»