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Südtirol Südtirol: Schnuppertour zu den Zackenkronen

Von Klaus Thiele 24.04.2008, 15:46

Halle/MZ. - Von Ostern bis Allerheiligen warten die Lungers auf Wanderer, die eine deftige Stärkung brauchen. Früher, sagt Bernadette, war das Leben dort oben härter. Sogar das Wasser musste hochgetragen werden. Lungers Vater schleppte zuerst noch alles selbst hinauf. Dann leistete er sich ein Maultier, später einen Haflinger. Heute erleichtert ein Geländewagen das Leben der Alm-Wirtsleute.

Wer sich bei ihnen gestärkt hat, den erwartet noch ein kurzer Aufstieg zur Völseggspitze, bekannt für ihren weiten Blick in den Naturpark Schlern-Rosengarten. Natürlich ist die Wanderung zur Tschafon-Hütte eher eine Schnuppertour zum Eingewöhnen. Am Tor der Dolomiten lockt vor allem der Weg hinauf zu den Zackenkronen des Rosengartens, berühmt für das grandioseste abendliche Alpenglühen.

Vielleicht versucht man es zunächst mit einer geführten Tour. Mancher Hotelier in der Ferienregion Rosengarten-Latemar ist nebenbei auch Wanderführer, wie zum Beispiel Ludwig Seehauser aus Welschnofen. "Am Anfang war ich immer kaputt vom Langsamgehen", erzählt er verschmitzt den Flachlandtirolern. Wenn er sich mit seiner Wandergruppe einer Hütte nähert, ruft die Wirtin sofort in die Küche: "Einmal Spaghetti pomodoro". Das ist nämlich Ludwigs Standardgericht.

Ein Vorteil der Region Rosengarten-Latemar mit ihren 530 Kilometern Wanderwegen sei, sagt Ludwig, dass die Bergtouren beliebig ausdehnbar seien: Man könne an der Südseite der Dolomiten locker ohne größere Anstiege auf einem bequemen Höhenweg spazieren, aber auch hoch oben auf kühneren Pfaden von Hütte zu Hütte ziehen. "Jeder sollte allerdings abstecken können, was er macht", meint Ludwig. Wer zu den ganz Fitten gehört, mag sich eine Tour der ganz besonderen Art zumuten: Extrembergsteiger Hans Kammerlander lädt alljährlich im Juli zu einer Rosengarten-Umrundung.

Um 4.30 Uhr in der Frühe geht es los, mindestens 14 Stunden beträgt die reine Gehzeit. Kammerlanders Lieblingstour unter den Tageswanderungen für weniger Hartgesottene führt vom Fuß der Rotwand mitten ins Herz des Rosengartens. Den ersten Teil darf man Zeit sparend z. B. mit dem Paolina-Sessellift zurücklegen, ohne dass der Bergführer einen deshalb mitleidig belächelt. So erreicht man rasch den Hirzelweg, eine bequeme Höhenroute. Auf ihr geht es fast eben zur Kölner Hütte (Rosengartenhütte) oder in der Gegenrichtung zur Rotwandhütte, vorbei am Adler-Denkmal für Theodor Christomanos, einen Pionier des Dolomiten-Tourismus. Wer aber wirklich ins Herz von Zwergenkönig Laurins Reich der versteinerten Rosen vordringen will, kommt um einen steileren Anstieg nicht herum.

Hans Kammerlander bevorzugt dafür den Vajolonpass an der Rotwand. Nur für ganz Geübte zu empfehlen sind Touren auf den teilweise wahrhaft Schwindel erregenden Klettersteigen des Rosengartens. Wer das komplette Panorama von Rosengarten und Latemar erleben will, besteigt das 2 113 Meter hohe Weißhorn. Unterhalb des Gipfels liegt der Grand Canyon Südtirols, die Schlucht des Bletterbachgrabens. Der Bletterbach hat dort 200 bis 300 Millionen Jahre alte Schichten freigelegt - ein Bilderbuch der Erdgeschichte mit tiefen Einblicken in die Entstehung der Dolomiten.

Die Bergmassive von Rosengarten und Latemar, die der kleinsten Ferienregion Südtirols ihren Namen gaben, liegen beiderseits des Karerpasses. Nicht weit vom Postkarten-Motiv des Karersees war der gleichnamige Ort schon ein Treff vor allem des österreichisch-ungarischen Adels, als abgelegene Orte wie Steinegg, Deutschnofen, Welschnofen, Obereggen oder Tiers vom Tourismus noch nicht einmal träumen konnten. 1896 wurde das Grandhotel Karersee in 1 610 Meter Höhe eröffnet. Bereits ein Jahr später erschien der legendärste Feriengast: Kaiserin Elisabeth von Österreich, heute bekannter als Sissi. Sie blieb fünf Wochen. Auf der Elisabethpromenade kann jeder bequem auf ihren Spuren wandeln.

Schon 1904 gab es den ersten Golfplatz unter den Felswänden des Rosengarten-Massivs. Auch andere Prominente zog es an den Karersee. Winston Churchill zählte zu den Gästen. Agatha Christie ließ ihren Roman "Die großen Vier" im nahen Latemar-Labyrinth spielen. Und Karl May fand 1911 bei einem Sommeraufenthalt im Tschamintal das Szenarium für sein Tschamikun in den "Schluchten des Balkans". Wäre der Winnetou-Autor damals so leicht mit dem Wanderbus in der Ferienregion herumgekommen wie die heutigen Urlauber, hätte er vielleicht einen seiner Indianer vom Geheimnis der "Klanghölzer" erzählen lassen. Gemeint ist das Holz der Haselfichte, die im Gebiet Karersee-Latemar wächst. Es ist bestens für den Geigenbau geeignet. Old Shatterhand mit Zaubergeige - da hätten alle kleinen Jungen wohl begeistert Geigenunterricht genommen.