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Stars von Gestern Stars von Gestern: Manfred Steinbach wird 70: «Die Leichtathletik steckt in einem Loch»

Von Ulrike John 15.08.2003, 15:03

Stuttgart/dpa. - Auf dem Sportplatz von Nierendorf zieht Manfred Steinbach heute noch regelmäßig ein abgespecktes Trainingsprogramm durch. «Eine Stunde. Auf der Geraden spurten, in der Kurve trudeln.» Dabei feiert der erste deutsche Acht-Meter-Weitspringer, einstige Sprinter, langjährige Spitzenfunktionär des Deutschen Leichtathletik- Verbandes (DLV), Politiker, Sportmediziner und Professor am Montag (18. August) seinen 70. Geburtstag. «Die deutsche Leichtathletik steckt in einem Loch. Die alte Elite tritt langsam ab. Da tut sich eine Lücke auf. In den Läufen sieht es bis auf die 400 m ganz schlimm aus», sagte Steinbach der dpa.

Für die am 23. August beginnenden Weltmeisterschaften in Paris sieht er schwarz. «Viele Athleten haben sich überhaupt nur mühsam dafür qualifiziert», bemängelte Steinbach und wunderte sich, «dass einem Dieter Baumann hier zu Lande keiner das Wasser reichen kann, obwohl er international nicht mehr erstklassig ist». Als der Sportmediziner beim DLV für den Leistungssport verantwortlich war, konnte er noch aus dem Vollen schöpfen: Steinbach war zwischen 1989 und 1993 der «Vereinigungs-Sportwart» und durfte zum Beispiel 1991 bei der WM in Tokio die Triumphe der Katrin Krabbe feiern. Er hat diese Zeit «in guter emotionaler Erinnerung».

Als früheres Mitglieder der DDR-Nationalmannschaft hatte er es bei diesem schwierigen Prozess mit ehemaligen Teamkollegen zu tun - so wie mit Erich Drechsler, dem damaligen Trainer und Schwiegervater von Weitsprung-Star Heike Drechsler. Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» warf ihm damals vor, «gewissenlos dopingbelastete Trainer aus der ehemaligen DDR eingestellt zuhaben».

Steinbach und sein langjähriger Mitstreiter, der inzwischen gestorbene frühere DLV-Präsident Helmut Meyer, galten aber auch als die Prototypen der etwas antiquierten Funktionäre: Meyer sprach kein Englisch, Steinbach verwechselte schon mal die Namen der Athleten. Über 20 Jahre saß er im DLV-Präsidium. «Lediglich den Kassenwart habe ich nie gemacht», sagte er schmunzelnd.

Der Sprung zum Verbandschef war ihm nicht gelungen. Und als Helmut Digel die Nachfolge Meyers antrat, hatte Steinbach ausgedient. «Vielleicht habe ich es zu lange gemacht. Manche konnten mich einfach nicht mehr sehen», meint das frühere NOK-Mitglied. Bereits 1990 war er die Schlagzeilen geraten, als im vorgeworfen wurde, 1968 für eine Studie über 100 Jugendlichen Dopingmittel verabreicht zu haben. Steinbach wehrte sich und verwies darauf, dass das Anabolikum «Dianabol» zu der Zeit auf keiner Liste gestanden habe. Zudem sei er immer «in vorderster Front der Dopinggegner gestanden».

Zu seiner aktiven Zeit war Doping noch keine Thema. Steinbach, der am 21. April 1958 nach Westberlin flüchtete, war im August desselben Jahres Mitglied der 4 x 100-m-Staffel des DLV, die in Köln den Weltrekord der USA egalisierte (39,5 Sekunden). Bei den deutschen Meisterschaften in Berlin sprang er 1960 windunterstützte 8,14 m - einen Zentimeter weiter als Jesse Owens bei seinem legendären Weltrekord von 1935. Seinen größten Erfolg feierte er bei den Olympischen Spielen in Rom, als er genau bei acht Metern landete. Das hatte noch kein Deutscher geschafft, trotzdem reichte es nur zum vierten Platz. Die Bestzeit des zweimaligen DDR- und dreimaligen BRD- Meisters über 100 m lag bei 10,4 Sekunden.

Auch auf der politischen Bühne machte der schlaksige Professor Karriere: Im Bundesgesundheitsministerium war er von 1977 bis 1993 Ministerialdirigent. Dann bedeutete der Skandal um aidsverseuchte Blutkonserven das Ende seiner Karriere. Heute ist Steinbach «pensionierter Beamter», wie er selbst sagte, aber umtriebig wie eh und je: als Ärztedirektor der Johannnesbad Rehakliniken und Präsident der Deutschen Heilbäder. Außerdem ist er im Forum Prävention tätig, in der sportmedizinischen Ausbildung der PH Darmstadt und in der Übungsleiterausbildung im Rheinland. Steinbach: «Ich habe viel zu tun und bin damit zufrieden.»