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Stadionverbote Stadionverbote: Lob, Empörung, Panikmache

Von CHRISTIAN ELSAESSER 30.10.2009, 18:27

KARLSRUHE/MZ. - Ein Preis für eine besondersgute Präsentation im Netz. 97,3 MillionenSeitenabrufe gab es allein im September.

In einem Bereich hält sich die DFL-Homepageaber bewusst zurück. Ein Diskussions-Forumfür Fans bietet die Seite ebenso wenig wiedie des deutschen Fußball-Bundes (DFB). Dochgenau dort spielt sich seit gestern die heißesteKontroverse der Sportart ab. Die Fanforenquillen über, nachdem der Bundesgerichtshofsgeurteilt hat, dass präventive Stadionverbotezulässig sind.

Die deutsche Fanszene ist in Aufruhr (sieheauch Interview unten). Baff, das "BündnisAktiver Fußball-Fans" ließ gestern über seinenSprecher Wilko Zicht mitteilen: "Wenn Stadionverboteauf Verdacht ausgesprochen werden, bedeutetdas, dass viele Unschuldige bestraft werden."Und weiter: "Die Praxis der Stadionverboteist grob ungerecht und belastet das Verhältniszwischen Fans, den Vereinen und der Polizei.Die Fronten werden sich weiter verhärten."

Diese Einschätzung hat sich bereits bewahrheitet.Denn mit ihrer Meinung zum Urteil stehen dieFans im öffentlichen Diskurs allein da. Polizei,Vereine und Verbände begrüßen die Entscheidungder Richter. "Wäre das Verbot gekippt worden,hätte sich die Polizei vom Fußball verabschiedenkönnen", sagte Rainer Wendt, der Bundesvorsitzendeder Polizei-Gewerkschaft. Auch der DFB reagierteerfreut. "Wir sehen dies als Bestätigung unsererLinie, durch Erlass von Stadionverboten gegenGewalttäter oder Randalierer, friedliche Fansvor gewaltbereiten Zuschauern zu schützen",sagte der Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn.

Genau hier verläuft die Gefechtslinie in derBewertung. Die Fans befürchten, willkürlichvon Stadionverboten betroffen sein zu können.Auf "webhallunken.de", dem Forum der Fansdes Halleschen FC, schreibt Thomas: "Das Urteilist der absolute Witz. Wenn es irgendwo knalltund ich stehe durch Zufall daneben, bekommeich Stadionverbot, obwohl ich nichts gemachthabe." Die Meinung ist einhelliger Tenor inFan-Kreisen.

Der DFB und die Vereine sind deshalb bemüht,den Befürchtungen entgegenzutreten. "Wir erlassenStadionverbote nur dann, wenn es wirklicheinen handfesten Sachgrund dafür gibt", sagtHelmut Spahn. Dieter Zeiffer, der Fanbeauftragtevon Werder Bremen, erklärte: "Es wird aufgrunddieses Urteils keine Flut von Stadionverbotengeben, wir werden weiterhin jeden einzelnenFall sehr genau prüfen. Zu diesem Prozessgehört auch ein Anhörungsrecht, das wir denBeschuldigten einräumen."

Doch bei aller Angst vor Willkür: Stadionverbotewerden in der überwiegenden Mehrheit gegenLeute ausgesprochen, die gewaltbereiten Gruppenangehören oder mit ihnen sympathisieren. DaAusschreitungen im Fußball meist organisiertwerden und die Selbstreinigungsprozesse derFangruppen nur schleppend vorankommen, wertetdie Polizei-Gewerkschaft das BGH-Urteil alszwingend. Rainer Wendt: "In der derzeitigenSituation müssen wir leider jedem Fußball-Fansagen: Wer ins Stadion geht, begibt sich inLebensgefahr."

Bei der DFL rief die Äußerung Empörung hervor."Das ist ein Schlag ins Gesicht von Millionenfriedlichen Fußballfans. Diese Aussagen sindunverantwortlich und Panikmache aus Gründender Selbstdarstellung", sagte GeschäftsführerChristian Seifert. Ein scheinbar bizarrerNebenkriegsschauplatz, der aber die entscheidendeFrage aufwirft: Wie können friedliche Fansvor gewaltbereiten geschützt werden?