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Spanien Spanien: Land der vielen Gesichter

Von Ute Hartling-Lieblang 07.10.2004, 19:43

Halle/MZ. - Rosa, eine waschechte Katalanin, die mit ihrer Familie in Barcelona lebt, ist uns während der fünftägigen Reise durch die Katalanischen Pyrenäen ans Herz gewachsen. Voller Hingabe und mit dem hier so typischen Nationalstolz hat die Stadtführerin uns einen reizvollen Teil ihrer Heimat gezeigt, die im Nordosten der Iberischen Halbinsel liegt. Hier ist der Maler Salvador Dali geboren, hat Pablo Picasso seine fruchtbarsten Jahre verbracht und der Architekt Antonio Gaudi faszinierende Formen aus Keramik und Stein hinterlassen.

Rosa hat uns von der Costa del Maresme über Schwindel erregende Bergpässe bis ins Hochgebirge zur Skistation La Molina und in das wunderschöne Tal Val d' Aran begleitet. Sie ist mit uns kilometerweit auf dem "Cami dels Bons Homes" ("Weg der guten Menschen", Route der Katharer im 12. und 14 Jahrhundert) gewandert, im Parc Olimpic del Segre aufs Mountainbike gestiegen, hat mit uns die Rafting-Tour auf dem Fluss Noguera Pallaresa im Komplex Port Ainé unbeschadet überstanden. Nur beim Reiten im Tal Val d´ Aran gab sie uns einen Korb.

Dafür haben wir sie in den unzähligen romanischen Kirchen - rund 1 900 gibt es davon in Katalonien - und in den Klöstern zwischen Ripoll, La Seu d'Urgell und dem Vall de Boi als sachkundige Übersetzerin schätzen gelernt. Das romanische Erbe Kataloniens ist das wohl umfangreichste und schönste Europas. Die weltweit bedeutendste Ansammlung romanischer Kirchen befindet sich im Boital. Sie wurde von der Unesco in den Katalog des Weltkulturerbes aufgenommen.

Dazu gehören unter anderem die Kirchen Sant Climent und Santa Maria de Taüll sowie San Joan de Boi. Die Wandgemälde aus diesen Kirchen sind heute im Nationalmuseum für Katalanische Kunst (Museo Nacional de Arte de Catalunya) in Barcelona zu bewundern. Um diese wertvollen Kunstschätze vor dem totalen Ausverkauf an betuchte Kunsthändler zu retten, wurden sie zwischen 1919 und 1921 in einer spektakulären Aktion mit einem Spezialverfahren von den Wänden gelöst und in die Hauptstadt umgesiedelt. Rosas Erklärungen über Land und Leute und vor allem die tausendjährige Geschichte ihrer Heimat Katalonien fesseln immer wieder. Heiratsverbindungen des Grafengeschlechts von Barcelona und des Königshauses von Aragonien führten im 12. Jahrhundert zum Königreich Katalonien-Aragonien. Bis König Philipp V. im Jahr 1714 den spanischen Thron bestieg, blieb das Gebiet politisch und rechtlich eigenständig. Der 11. September - die Besetzung von Barcelona durch Philipp V. - wird in Katalonien als Nationalfeiertag begangen.

Im Kloster Monasterio de Santa Maria de Ripoll - einer Station der Reise - wurde dieser Tag auch in diesem Jahr mit großem Stolz gefeiert. Die rot-goldene katalonische Fahne gehörte ebenso zum Bild des Festes wie junge Mädchen in ihren Trachten und Blumengebinde, die am Grab von Wilfried dem Haarigen niedergelegt werden. Der Graf von Barcelona schuf zwischen 873 und 898 ein christliches, weitgehend unabhängiges Königreich.

Seit Katalonien 1979 seine Selbstverwaltung zurückerlangte, darf hier auch wieder Katalanisch gesprochen werden. Rosa ist stolz auf die Sprache ihrer Vorfahren, die während ihrer ersten Schuljahre unter der Franco-Diktatur verboten war. Seither hat sich auch das traditionell landwirtschaftlich geprägte Leben der Menschen gewandelt. Vor allem nach dem Beitritt zur EU im Jahr 1986 erlebte der ökologische Tourismus einen Boom.

So haben zahlreiche ehemalige Bauern das Angebot der Regierung angenommen, Milchkühe und Land verkauft oder verpachtet, um Platz für Hotels, Ferienhäuser und Campingplätze zu machen. Rund 1 000 Einrichtungen des ländlichen Tourismus mit etwa 8 500 Betten gibt es in Katalonien. Mit 17 Skistationen auf einem Gebiet von 320 000 Quadratkilometern ist es führend unter den autonomen Regionen Spaniens.

Landschaft und Klima sind ideal für Aktivitäten wie Wandern, Rad fahren und Reiten, aber auch für verschiedene Abenteuersportarten wie Wildwasserabfahrten. Ein Wanderwegenetz von 500 Kilometern sowie 120 Radwanderrouten, darunter die "Vias Verdes (Grüne Wege), die auf stillgelegten Eisenbahnstrecken angelegt wurden, stehen zur Verfügung. Man kann hier Kultur- und Aktivtourismus - als willkommene Ergänzung zum Sonnenbaden an der Küste - sinnvoll miteinander verbinden. Die Skistation La Molina erreicht man zum Beispiel von Barcelona aus mit dem Zug in zweieinhalb Stunden.

Barcelona war auch für Manfred Pfeiffer (35) und Birgit Knappenberger (35) aus Ulm die Eingangstür zum katalanischen Hinterland. Drei Tage haben die beiden Touristen, denen wir im Kunstmuseum Barcelona begegneten, in der Metropole verbracht. "Jetzt geht es zum Wandern in die Pyrenäen", verrieten sie. Die Originalgemälde im Museum haben sie neugierig auf jene Kirchen gemacht, aus denen sie einst gerettet wurden.