Spanien Spanien: Humboldts Zuckerhut
Halle/MZ. - Aber am schlimmsten für Humboldt war: Seinen Vor-rat an Wein hatten die Führer heimlich ausgetrunken. Der Forschungsreisende, durch Daniel Kehlmanns Bestseller "Die Vermessung der Welt" neuerdings geradezu populär, musste durstig durch den Bimssteinstaub stapfen.
Heute könnte er sich den trockenen Abstieg ersparen und einfach die Seilbahn nehmen. Unten hätte er es nicht sehr weit zum Restaurant des Parador-Hotels. Auch zu Fuß würde es ihm nun besser ergehen. Es gibt eine Schutzhütte in 3 200 Meter Höhe. Der Gipfel des Teide, von Humboldt auch Zuckerhut genannt, erreicht 3 718 Meter. Er ist im Winter weiß vom Schnee, im Sommer hell vom Schwefel. Damit nicht Tausende dort oben die Vulkanlandschaft zertrampeln, ist der Zugang beschränkt. Aber von der Seilbahnstation-Plattform La Rambleta auf 3 555 Meter Höhe hat man bei klarer Sicht einen ebenso grandiosen Ausblick auf die anderen Kanaren-Inseln und den Nebenkrater, den zuletzt 1798 aktiven Pico Viejo.
Humboldt übrigens brauchte zwölf Stunden von La Orotava hinauf zum Gipfel, neun Stunden für den Abstieg. Wer heute nahe der Seilbahnstation aufbricht, muss mit fünf bis sechs Stunden rechnen. Bei der Fahrt hoch in den 135 Quadratkilometer großen Nationalpark Las Canadas del Teide kurvt man zügig durch die Vegetationszonen, die Humboldt penibel beschrieb. Zunächst Kastanien, Lorbeer und baumartige Heide, die Region der Farne, dann Kiefernwälder, die Ginsterebene. Schließlich erreicht man hinter dem Informationszentrum El Portillo in 2 000 Meter Höhe die Kraterwelt Las Canadas, einen riesigen Einsturzkessel von 17 Kilometer Durchmesser, aus dem der Teide wirklich wie ein Zuckerhut aufragt. Eine Landschaft der Lavaströme und Vulkankegel voller bizarrer Felsformationen wie Los Roques de Garcia.
Bei La Orotava gibt es einen Aussichtspunkt namens Mirador Humboldt. Von dort schaut man auf ein dicht besiedeltes Tal, in das die Touristenhochburg Puerto de la Cruz förmlich hinaufzukriechen scheint. Auch einen Humboldt-Wein gibt es seit 1997. Das ist ein nicht gar so süßer Dessertwein. Er erinnert an die Zeiten, als an europäischen Höfen der Malvasier und Muskateller von Teneriffa begehrt war, wie man bei Shakespeare nachlesen kann. Drei Jahrhunderte hatte nach der spanischen Eroberung der Wein der Insel Wohlstand beschert, auch durch den Export nach Südamerika. Dann lief das von den Briten protegierte Madeira Teneriffa den Rang ab. Handelsbeschränkungen sorgten für den Niedergang. Aber die alten Rebsorten wie Listan Negro, Negramoll oder Tintillo blieben erhalten.
Lange erntete man aber mehr oder weniger für den Hausgebrauch. Man sieht noch immer die traditionellen Reblauben auf Stützgabeln, die man nach der Lese beiseite räumt, um dann auf der Fläche Kartoffeln zu ernten. Inzwischen wurde in modernen Bodegas wie El Lomo, Monje, Vina Norte, Tagoror oder El Penitente auf neue Methoden umgestellt. 300 Sorten gibt es jedes Jahr. Weißweine wachsen vor allem im Süden, die Roten im kühleren Norden.
Auch in Sachen Wein kann man Humboldts Spuren folgen. Sein Weg, so schrieb er, führte "von Tegueste und Tacoronte bis zum Dorfe San Juan de la Rambla, berühmt durch seinen trefflichen Malvasier". Das ist jenes Gebiet im Norden, durch das die erste Weinstraße der Kanaren führt. 60 Prozent der Teneriffa-Weine kommen aus der Region Tacoronte-Acentejo. Einem Verein Ruta del Vino gehören Gemeinden, Bodegas, Restaurants, ländliche Hotels (Casas rurales) und eine Vinothek an. Alles über den Teneriffa-Wein erfährt man im Weinmuseum Casa de Vino la Baranda in El Sauzal. Und natürlich kann man dort auch den Tinto Dulce Humboldt probieren.