Serbien Serbien: Der alte Jugo-Autoput bleibt trotz Ausbaus die «Route der Leiden»

Belgrad/dpa. - Für Millionen Gastarbeiter und Urlauber warder alte jugoslawische Autoput von Ljubljana nach Griechenland und indie Türkei in den siebziger und achtziger Jahren ein wahrer Albtraum.Dann kamen die Kriegsjahre auf dem Balkan von 1990 bis 2000. DieTransitroute war unterbrochen, Kämpfe rund um die Straße verhindertenfast jeden Verkehr. Die Verkehrsströme aus Westeuropa nach Südostenwichen über Ungarn, Bulgarien und Rumänien aus. Jetzt wird dieVerbindung wieder zur Standardstrecke für den Schwerverkehr und Pkw.
Große Teile der ursprünglich nur zweispurigen Überlandstraße sindinzwischen als Autobahn ausgebaut. Wegen der vielen Grenzen nach demEnde Jugoslawiens und der zahlreichen Mautstationen sowie der fastvöllig fehlenden Infrastruktur hat sich die Lage für die Benutzer bisheute aber nicht wesentlich gebessert. Die Verbindung wird ihremalten Ruf als «Route der Leiden» immer noch gerecht.
So bleiben die Ankündigungen in jedem Routenplaner, die 970Kilometer lange Transitverbindung in zehn bis elf Stunden zuschaffen, ein Traum. Vor allem im Juli und August oder während derWeihnachts- und Osterfeiertage werden die Reisenden auf eine harteGeduldsprobe gestellt. Die wenigen Rastplätze mit unzureichendenKapazitäten für Hygiene, Tanken oder Verpflegung gleichen dannmodernen Heerlagern. Die Menschen hocken auf dem Boden, ruhen im Grasoder verrichten sogar ihre Notdurft am Straßenrand. Viele dieserPlätze versinken regelmäßig in Müll.
Über den Karawankentunnel, der 6,50 Euro Maut kostet, oder denkostenfreien Loiblpass gelangt man aus Österreich zum Ausgangspunktdes Autoput in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Die neueAutobahn endet bei Novo Mesto nach rund 70 Kilometern. Die folgenden30 Kilometer auf der alten, abgenutzten Straße sind eineHerausforderung für Fahrzeug und Fahrer: Querrillen, Löcher undBodenwellen können schon mal den Gang herausspringen lassen.
Doch dann führt die im vergangenen Jahr fertig gestellte AutobahnE 70 bis zur Grenze. Kurz zuvor kommt eine Tankstelle. Die fünfToiletten für Männer sind zwar sauber, aber dem sommerlichen Ansturmnicht gewachsen. Auf der Gegenfahrbahn gibt es eine Raststätte, inder drei von vier Toiletten mit Plastiktüten aus dem Verkehr gezogenwurden. Von Seife, Toilettenpapier und Handtüchern fehlt jede Spur.Doch es gibt auch ein Trostpflaster: In Slowenien und Kroatien istdas Benzin mit gut einem Euro pro Liter äußerst günstig.
130 Autobahnkilometer weiter sieht man bei Novska und Okucani nochdie im Krieg zerschossenen Gebäude. Hier reichen einige Minenfelderunmittelbar an die Fahrbahn heran. Passieren kann aber nichts, wennman nicht über den Zaun klettert und sich im wahrsten Sinne desWortes in die Büsche schlägt. Der so genannte Rastplatz Rastovica vorder Grenze zu Serbien-Montenegro ist ein gutes Beispiel für diefehlende Infrastruktur: Statt Tankstelle, Toiletten, Rasthaus oderKiosk gibt es nur reichlich Lagerplätze auf dem nackten Teerboden.
Vor der eigentlichen Grenze geht es dann noch einmal 30 Kilometereinspurig voran, weil die Autobahn seit Jahren in Bau ist. Die Grenzeauf serbischer Seite zeigt sich sehr behelfsmäßig und einem größerenAnsturm nicht gewachsen. Zoll und Polizei sind auf beiden Seiten nochimmer in Containern untergebracht. Nicht nur hier, sondern an allenGrenzen stauen sich zu jeder Jahreszeit die Lastwagen, die vor allemaus der Türkei, aus Bulgarien und Rumänien stammen.
In Serbien geht es auf der alten und schlecht in Stand gehaltenenAutobahn weiter in Richtung Belgrad. Fußgänger und Radfahrer kreuzendie Straße regelwidrig. Und die Polizei ahndet oft auch die kleinsteGeschwindigkeitsüberschreitung. Es folgt das Nadelöhr Belgrad, wo inden siebziger Jahren die Autobahn mitten durch die Stadt gebautwurde. Vor der Brücke über den Sava-Fluss sind Transitreisende undNahverkehrsteilnehmer im Stau alle gleich.Die 430 Kilometer lange Strecke von Belgrad nach Skopje fährt manauf der aus den achtziger Jahren stammenden Autobahn. Lediglich 90Kilometer im Süden Serbiens müssen über die Landstraße zurückgelegtwerden. Das eigentliche Problem sind die drei Grenzen, die beigrößeren Verkehrsströmen regelrecht zusammenbrechen. Überall kommt eszu langen Staus - und, weil jede Infrastruktur fehlt, oft zufilmreifen Szenen. Ähnlich geht es an den insgesamt zehn Mautstellenzu.
Für die knapp 1000 Kilometer lange Strecke müssen rund 40 EuroStraßengebühr gezahlt werden. Der Euro wird überall akzeptiert.Erfahrene Reisende starten in Ljubljana mit ausreichendem Proviant,Getränken, viel Euro-Kleingeld in der Tasche und jeder Menge Geduld.