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Segelfliegen Segelfliegen: Fabelweltrekord hält schon 30 Jahre

Von Karl Morgenstern 23.04.2002, 14:22
Hans-Werner Grosse
Hans-Werner Grosse dpa

Lübeck/dpa. - Es gibt keinen Rekord aus der bunten Welt desSports, der so lange allen Angriffen stand gehalten hat: Am 25. April1972 - vor 30 Jahren - flog der Lübecker Hans-Werner Grosse inelfeinhalb Stunden mit einer in Poppenhausen gebauten ASW 12 vonLübeck nach Biarritz an der französischen Atlantikküste. 1 460,8Kilometer nonstop und motorlos. Ein Rekord, der für die Ewigkeitbestimmt zu sein scheint. «HWG», wie ihn seine Freunde und die ganzeZunft nennen, ist seitdem Ehrenbürger des populären Badeortes imSüdwesten Frankreichs.

Dutzende der besten Segelflieger aus aller Welt haben in denvergangenen drei Jahrzehnten versucht, diesen Rekord zu überbieten.Einige flogen manchmal sogar viel weiter, etwa im kühnen Dreiecksflugüber den Hängen der nordamerikanischen Appalachen, über denneuseeländischen Alpen oder in den eisigen Höhen dersüdamerikanischen Anden. Aber immer waren es «nur» Ziel-Rückkehrflügemit Hilfe von Hangwinden oder Tempo-Dreiecksflüge im Hochgebirge. AmRekord der Rekorde scheiterten alle. Im Freien Streckenflug, dem Nonplus ultra des Segelflugs, sind unverändert 1 460,8 Kilometer als dasMaß aller Dinge.

Hans-Werner Grosse, der 49 Weltrekorde und damit mehr als jederandere Segelflieger der Welt aufgestellt hat, weiß um denhistorischen Wert seines ungewöhnlichen Fluges. Doch der deutsche«Weltrekordler vom Dienst» ist selbstkritisch genug, um die richtigenWorte zu finden: «Ich hatte an diesem Tag wirklich das ganz selteneGlück des Tüchtigen. Es herrschte Jahrhundert-Wetter. Eine sosaubere, durchgreifende Nordostströmung am Himmel von Skandinavienbis Südwesteuropa hat es seitdem so gut wie nie wieder gegeben.» Esbedurfte allerdings der meteorologischen Erfahrung und desfliegerischen Könnens eines Hans-Werner Grosse, um diesen Tag auch soperfekt zu nutzen.

Grosse kennt seine Welt genau. Seit Jahrzehnten beobachtet er mitHilfe einer eigenen Wettersatelliten-Empfangsstation und mitwissenschaftlicher Akribie meteorologische Entwicklungen und Trends.«Ich habe oftmals geglaubt, meist im April und Mai: Jetzt kommtwieder so eine Wetterlage wie 1972. Aber es waren immer vergeblicheHoffnungen. Mein Flugzeug war schon oft startklar; auch anderenPiloten habe ich oft geholfen, das richtige Wetter zu nutzen. Doch amEnde war es nie wieder so wie vor 30 Jahren.» Doch es gibt noch einenanderen Aspekt: «Mit einem der wesentlich besseren und schnellerenSegelflugzeuge von heute wäre ich schon 1972 bis nach San Sebastianin Spanien geflogen.»

Das wären dann über 1 500 Kilometer gewesen. Und das ist es, wasihn eigentlich am meisten verwundert: «Eigentlich verstehe ich esselber nicht so recht, warum die heutigen Piloten es immer noch nichtgeschafft haben, mit ihren längst viel leistungsfähigeren Flugzeugenmeinen Uralt-Rekord zu übertreffen.»

Hans-Werner Grosse wird in einem guten halben Jahr 80 Jahre alt.Er fliegt noch regelmäßig, bringt es Woche für Woche auf ein paarHundert Kilometer im Segelflugzeug, hält sich fit mitLangstreckenläufen. In zehn Tagen wird er auf der InternationalenLuft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin das größteSegelflugzeug der Welt der Öffentlichkeit im Flug demonstrieren: Die«ETA» hat eine Flügelspannweite von 30,90 Metern, gut zwei Meter mehrals das zweistrahlige Kurz- und Mittelstreckenverkehrsflugzeug Boeing717 für 106 Passagiere.