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Schwimmen II Schwimmen II: «Franzi» hat sich frei geschwommen

Von Richard Janssen 04.08.2002, 14:08
Franziska van Almsick
Franziska van Almsick dpa

Berlin/dpa. - Franziska van Almsick wollte die ganze Weltumarmen. Sie konnte es nicht fassen, als sie auf die Anzeigetafelschaute: Weltrekord. Endlich am Ziel, endlich frei geschwommen. In1:56,64 Minuten allen Frust der vergangenen Jahre abgestreift. «Ichbin unheimlich zufrieden und unheimlich stolz», sagte sie nach demschnellsten Rennen über 200 m Freistil.

«Ich wusste ganz tief in mirdrin, dass ich es drauf habe. Es haben nicht viele an mich geglaubt,einige haben es gehofft. Und das ist die tiefe Zufriedenheit in mir,dass ich verdammt noch mal Recht behalten habe.» BundestrainerManfred Thiesmann sagte nach dem EM-Höhepunkt in Berlin: «Das ist fürsie der Aufbruch zu neuen Ufern für Olympia. Das Team wartet darauf,dass sie jetzt weiter macht.»

4500 Besucher in der Halle an der Landsberger Allee tobten,trieben sie nach vorn. Ihre Eltern und ihre Großeltern saßen auf derTribüne. «Es war einfach unglaublich. Es hat mir Flügel verliehen.Ich habe noch nie so viel Leute erlebt, die mich unterstützen, diemich siegen sehen wollen und die an mich glauben. Ich könnte gleichwieder rausrennen und mich einfach nur hinstellen», sagte Franziskavan Almsick. Als sie wieder am Land war, war ihr die Tränen dieWangen runtergelaufen. Sie kniete für einen Momente nieder undverbeugte sich anschließend vor den Fans. So schön kann es sein, sichselbst zu schlagen.

Die Vergangenheit ist endlich wirklich Vergangenheit. Der Kopf istfrei für eine neue Zukunft. Dabei hätte sie sich vor dem Rennen amliebsten aus der Halle gestohlen. «Mir wir schlecht und schwindelig,ich hatte Kopfschmerzen. Ich hatte schon übelste Wahnvorstellungen.Ich wollte zehn Minuten vor dem Rennen aus der Halle gehen und sotun, als würde mich das Ganze nichts angehen.» Nach dem Rennen wolltesie am liebsten alleine sein. «Ich bin nicht so in Feierlaune. Ichhabe im Moment das Gefühl, das Glück überrollt mich, dass mir dieLuft wegbleibt.»

Acht Jahre war sie ihrem Weltrekord hinterher geschwommen. Kaumjemand hatte ihr nach der Olympia-Pleite von Sydney zugetraut, jewieder auch nur in die Nähe dieser Bestmarke zu kommen. Aber sieselbst hat an sich geglaubt - und ihr Trainer Norbert Wandratsch, dersie in einem Jahr wieder auf den Gipfel zurück führte. «Ihr Talentkann ihr niemand nehmen», sagte er. Nach dem Rennen wusste er: «Sieist wieder aufgestanden.» Europameisterin Jana Henke musste «einfachheulen».

Der ständige Kampf in einer reinen Männer-Trainingsgruppe hatFranziska van Almsick wieder stark gemacht. Und ihr Freund, derHandball-Nationalspieler Stefan Kretzschmar. «Das Puzzle passt», hat«Franzi» gesagt. Zudem habe sie «alle meine Glücksbringerausgetauscht».

Jetzt kann sie nach Barcelona 1992, Atlanta 1996 und Sydney 2000in zwei Jahren in Athen ihre vierten Olympischen Spiele in Angriffnehmen. «Mit einem Olympiasieg würde sie unsterblich», sagte der NOK-Präsidentschaftskandidat und frühere Weltklasse-Schwimmer KlausSteinbach. «Man kann sich nur wünschen, dass sie bis Athen weitermacht und uns allen noch viel Freude bereitet», forderteEuropameister Thomas Rupprath die Kollegin zum Weitermachen auf.Franziska van Almsick geht erst Mal in Urlaub - und will überlegen.