1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Schifffahrt: Schifffahrt: «Schnupperfahrt» im Traumrevier für Boote

Schifffahrt Schifffahrt: «Schnupperfahrt» im Traumrevier für Boote

27.06.2003, 09:40
Geteilte Wasserwelt: Auf manchen Flüssen, Kanälen und Seen in Mecklenburg-Vorpommern kann versuchsweise auch ohne Bootsführerschein gefahren werden. Andere Ziele dürfen die Hobbykapitäne nicht ansteuern, darunter - hier im Bild - Plau am See. (Foto: dpa)
Geteilte Wasserwelt: Auf manchen Flüssen, Kanälen und Seen in Mecklenburg-Vorpommern kann versuchsweise auch ohne Bootsführerschein gefahren werden. Andere Ziele dürfen die Hobbykapitäne nicht ansteuern, darunter - hier im Bild - Plau am See. (Foto: dpa) TMV/Norbert Krüger

Waren/dpa. - Was auf öffentlichen Straßen strafbar wäre, ist auf einigen Gewässern nördlich von Berlin zumindest probeweise Normalität: Fahren ohne Führerschein. «Das wurde auch Zeit, denn in Holland, Irland oder Frankreich gibt es das längst», sagt Harald Kuhnle. Der Stuttgarter betreibt in Rechlin (Mecklenburg-Vorpommern) die nach eigenen Angaben größte deutsche Charterfirma für Hausboote. Kuhnle war auch einer der Initiatoren des mehrjährigen Versuchs mit den Hobbykapitänen. Gegenwärtig läuft die letzte Versuchssaison, und fast alle Beteiligten sind sich einig: Die Charterschein-Regelung sollte beibehalten und wenn möglich sogar ausgeweitet werden. Noch aber hat das Bundesverkehrsministerium nicht darüber entschieden.

«Wir haben so gut wie keine Probleme mit diesen Leuten», sagt Uwe Tredup, Leiter der Wasserschutzpolizei in Waren an der Müritz. Der 117 Quadratkilometer große See gilt als Herz der Freizeitschifffahrt zwischen Berlin und Hamburg - und gleichzeitig als Trennstrich. «Hier scheiden sich die Geister», sagt Tredup, der mit 34 Mitarbeitern das Gros der Mecklenburgischen Seenplatte kontrolliert.

Die Charterscheinregelung sichert Hobbykapitänen auf rund 300 Kilometern buchten- und tierreicher Wasserstraßen freie Fahrt zu. Bis zu 13 Meter lange Boote und 12 Kilometer pro Stunde schnelle Schiffe dürfen nach mehrstündiger Einweisung durch das Revier gesteuert werden. Ausgenommen sind allerdings die stark befahrenen Bundeswasserstraßen wie Havel, Oder und Elbe sowie die großen Seen Mecklenburgs, zu denen Müritz, Plauer See und Schweriner See gehören. «Hier kommt schnell Sturm auf, der kurze harte Wellen verursacht, mit denen selbst erfahrene Skipper Probleme haben», erklärt Polizist Hartmut Warnke, der seit 25 Jahren die Müritzschifffahrt im Auge hat.

So dürfen die Anfänger nur von Rechlin aus in Richtung Süden nach Rheinsberg, Zehdenick oder zur Kleinseenplatte bis Neustrelitz fahren - an der Müritz im Norden ist Schluss, der See teilt das Traumrevier. Von Waren im Norden des Sees schippern wiederum Tausende über den Müritz-Elde-Kanal und die Elde bis nach Schwerin und zur Elbe.

Einer, der die Teilung schon zu spüren bekam, ist Richard Radloff. Der 49-Jährige aus Fürstenberg im Kreis Oberhavel hatte 2002 mit Freunden die Charterscheinregelung genutzt und «Appetit bekommen». Da es bei Boot und Revier Beschränkungen gab, legte Radloff inzwischen die Bootsführerschein-Prüfung ab. «Wir waren jetzt gerade eine Woche über die Müritz bis Plau unterwegs, traumhaft schön», erzählt er, während er sein 65-PS-Boot in die Schleuse Mirow steuert.

Dort wacht Carmen Fischer seit 14 Jahren über die Skipper, die mit ihren Booten einen Höhenunterschied von dreieinhalb Metern überwinden müssen. «Es ist manchmal schon ganz schön eng in der Schleuse», sagt sie. Das «Tor zur Müritz», wie die Schleuse auch heißt, ist meist der erste Prüfstein für Charter-Neulinge. «Bitte helfen Sie uns, es ist das erste Mal», höre sie öfter, sagt Fischer: «Die Angst steht manchem ins Gesicht geschrieben, dann gehe ich runter und helfe.» Die Zahl der Schleusungen ist hier von 16 000 nach der Wende auf zuletzt 26 000 gestiegen, Wartezeiten von zwei Stunden sind nicht selten.

Die Belebung, zu der die Charterregelung beigetragen hat, merken auch andere Firmen. Selbst Unternehmer wie Thomas Schulz, der in Waren bis zu 200 000 Euro teure Schiffe vermietet, sehen einen Nutzen in der Regelung: «Wir vergeben nur zwei Prozent der Boote ohne Führerschein, die sind zu teuer für reine Anfänger», sagt er. Doch wer geschnuppert hat, kommt oft wieder - und dann mit Führerschein. Inzwischen hat Schulz seine Flotte von 8 auf 20 Boote erweitert.

Unterschätzen dürfen Hobbykapitäne das Skippern aber nicht, warnt Schulz: «Das ist wie Autofahren auf Glatteis, das Boot hat keine richtige Bremse, und nicht alle sind Rallyefahrer.» Sein Kollege Kuhnle und auch Polizist Tredup hoffen aber auf eine Beibehaltung der Charterschein-Regelung. «Das kann man auch noch ausdehnen auf ähnliche Gewässer wie die Peene und den Kummerower See», regt Tredup an. Nur die Beschränkungen auf großen Seen sollten besser bleiben.