Sachsen Sachsen: Rom, Venedig und Paris in einer Stadt vereint

Leipzig/ddp. - Aber das lässt er sich nicht nehmen. Wenn er schon vonFausts Fassritt berichtet, dann soll es anschaulich sein. Die Szenein «Auerbachs Keller» aus Goethes Nationaldrama hat das Lokal inLeipzig weltweit bekannt gemacht. Was wäre ein Besuch in Europas wohlschönster Messestadt ohne Einkehr an dem historischen Ort, wo seitfast 500 Jahren Wein ausgeschenkt wird. «Man hatte gerade mal Amerikaentdeckt, da ist hier schon gesoffen worden», formuliert esKellermeister Maaß.
Viele Persönlichkeiten waren hier, gehört die Grimmaische Straßemit der Mädler-Passage doch zu den ältesten bebauten Teilen derStadt, die 1165 Stadtrecht und 1497 das kaiserliche Messe-Privilegfür drei bereits bestehende Märkte erhielt. Im gleichen Jahr kamHeinrich Stromer an die 1409 gegründete Universität, nach Heidelbergdie zweitälteste in Deutschland, erzählt Maaß. Er heiratete dieTochter des Ratsherrn und setzte dessen Weinausschank fort. «StromersHof» konnte dieser nicht heißen. «Wer kehrt schon bei einem'Landstreicher' ein», fragt der Kellermeister in die Runde. Stromerbesann sich auf seinen Heimatort Auerbach in der Oberpfalz,«Auerbachs Keller» entstand.
Außer Martin Luther und August dem Starken zechte hier auch derjunge Student Johann Wolfgang Goethe. Er war nicht nur seiner erstengroßen Liebe und dem Wein, sondern auch der mondänen Stadt verfallen,der er als Klein-Paris in der Literatur ein Denkmal setzte. Dieweltoffene und leicht frivole französische Lebensart sowie die amPariser Vorbild orientierte Architektur der Boulevards hatten Leipziglange vor Goethe den Beinamen eingebracht.
Den Ursprung Leipzigs, des slawischen «Ortes bei den Linden»,umschließt ein grüner Promenadenring. Knapp ein Drittel der Stadtwird von Wäldern, Parks und Kleingärten durchzogen. Das Zentrum prägtein einzigartiges System von Passagen und Durchhöfen, von denenArchitekturbegeisterte ins Schwärmen geraten. Zu denarchitektonischen Kleinodien gehören alte Messehäuser wie BarthelsHof, Specks Hof und die Mädler-Passage oder das Alte Rathaus, einRenaissancebau. Beeindruckend auch der barocke «Coffe Baum» von 1694,eines der ältesten Kaffeehäuser Europas. Für ein «Schälchen Heeßen»,wie es in der sächsischen Mundart heißt, sollte sich jeder etwas Zeitnehmen.
Mit knapp 16 000 Kulturdenkmälern, darunter 80 ProzentGründerzeithäuser, gilt Leipzig als Deutschlands Denkmalhauptstadt.Besonders das nach seiner größten Straße benannte sehenswerteWaldstraßenviertel mit Stadtvillen und herrschaftlichen Wohnhäusernin Historismus und Jugendstil zeugt vom Repräsentationsbedürfnis derwohlhabenden Bürger. Es gilt als eines der größten Gründerzeitviertelder Welt und ist das Ergebnis des Wachstums der Stadt zwischen 1871und 1914, bei dem sich die Einwohnerzahl von rund 100 000 auf 625 000mehr als versechsfachte. Auch Leitbauten wie das Neue Rathaus, dasehemalige Reichsgericht und Europas größter Kopfbahnhof entstandenwährend des Baubooms. Für die Aussicht auf die Stadt bleibt die Qualder Wahl zwischen dem 91 Meter hohen Völkerschlachtdenkmal und demCity-Hochhaus am Augustusplatz, wo man auf 142 Meter Höhe den Blickbei einem Gläschen Sekt genießen kann.
Die Aussicht dagegen, venezianische Impressionen in Leipzig zuerhaschen, halten viele eher für einen Marketinggag. Doch schnellwird der Besucher eines Besseren belehrt. Alte Stiche zeigen dieMessestadt inmitten von Wasser. Die Mühlgräben von Pleiße und Elsterprägen das Stadtbild und erlaubten zumindest bis in die 30er Jahreungetrübte Paddel- und Badefreuden. Flüsse von über 200 KilometerLänge schlängeln sich durch das Stadtgebiet. Dazu kommen mehr als 100Teichanlangen. 2001 wurde das traditionelle Fischerstechen wiederbelebt, das auf eine Geburtstagsfeier Augusts des Starken zurückgeht.
Ein außergewöhnliches Kanalsystem lädt heute wieder zum Bootfahrenein. So kann man Leipzig auch von der Wasserperspektive her erkundenund entlang sanierter alter Industrie- und Wohnviertel mit dem Bootauf dem Karl-Heine-Kanal und der Weißen Elster ins Grüne gelangen. Daein findiger italienischer Wirt im Stadtteil Plagwitz mit echtenvenezianischen Gondeln einen romantischen Hauch Venedig importierte,spricht man wohl nicht zu Unrecht von Klein-Venedig.
Wer sich nicht so sehr für das nasse Element erwärmt und trotzdemsüdliches Flair genießen möchte, dem sei das «Panometer» empfohlen.Der ehemalige Gasspeicher der Leipziger Stadtwerke entführt zu einemfaszinierenden Ausflug ins antike Rom. Vom Kapitols-Hügel nimmt derBesucher bei wechselnden Lichtverhältnissen, klassischen Weisen,Zikadenklang und Vogelgezwitscher am triumphalen Einzug KaiserKonstantins ins Rom des Jahres 312 teil. Diese mit Computersimulationin der Pleiße-Stadt gezeigte Neuinterpretation eines verschollenenRiesenrundbilds aus dem 19. Jahrhundert ist mit über 30 mal 100Metern derzeit das größte Panoramabild der Welt.
«Mein Leipzig lob ich mir! Es ist ein klein Paris und bildet seineLeute», lässt Goethe «Frosch» in Auerbachs Keller ausrufen, und derGeheimrat behält bis in unsere Tage Recht.

