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Rückblick Rückblick: Dessau gewinnt ersten FDGB-Pokal

Von HENRIK KLEMM 27.08.2009, 19:27

DESSAU/MZ. - "Der 28. August 1949 war einer der größten Tage in meinem Leben. Ich vergesse ihn nie." Rudolf Kersten erinnerte sich gern an das Pokalendspiel gegen die Betriebssportgemeinschaft (BSG) Gera-Süd im halleschen Kurt-Wabbel-Stadion: Franz Kusmierek hatte in der 76. Minute vor etwa 12 000 Zuschauern das entscheidende Tor für die BSG Waggonfabrik Dessau-Nord erzielt und dafür gesorgt, dass Gera-Süd mit 1:0 geschlagen wurde. Kersten selbst war es, der kurz vor dem Abpfiff noch eine Chance zum alles entscheidenden 2:0 hatte. Vergeben. Vergessen.

193 Teams im Wettbewerb

Freitag vor 60 Jahren hat die BSG Waggonfabrik Dessau-Nord, der heutige SV Dessau 05, den ersten FDGB-Pokal gewonnen. Letztlich hatten sich die Dessauer gegen 193 Mannschaften durchgesetzt, die zwischen dem 12. Juni und dem 28. August 1949 an den Pokalspielen teilnahmen. Bis 1991, da eroberte der FC Hansa Rostock die Trophäe, wurde dieser Titel - vergleichbar dem eines heutigen DFB-Pokalsiegers - insgesamt 40 Mal vergeben.

Der Jubel war riesig im August 1949, als der Zwickauer Schiedsrichter Erich Pöhner das Spiel beendete. Die Dessauer hatten Geschichte geschrieben und waren der erste Gewinner des vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) initiierten Wettbewerbs für Sportgemeinschaften der volkseigenen Betriebe in der damaligen Ostzone geworden. Den Wanderpokal - eine schwere, etwa einen Meter hohe Statue, die einen Fußballspieler und zwei Arbeiter darstellt - überreichte Herbert Warnke, Vorsitzender des Bundesvorstandes des FDGB, höchstpersönlich.

An der Seite von Dessaus damaliger Oberbürgermeisterin, Lisa Krause, hatte Warnke das Spiel von der Tribüne aus verfolgt. Selbst der russische Waggonbau-Generaldirektor, der vielen Spielern völlig unbekannt war, bedankte sich bei der Mannschaft für den Sieg. Er hatte zudem im heimischen Schillerpark einen Empfang vorbereiten lassen. Das war auch der Grund, warum die Dessauer nur kurze Zeit beim offiziellen Bankett im halleschen Haus der Gewerkschaften blieben, wie sich Paul Breitmann später erinnerte. Breitmann war der Abwehrstratege der Dessauer Mannschaft, die einen Altersdurchschnitt von knapp 29 Jahren hatte. Mit ihm schafften Kapitän Walter Elze, Torwart Fritz Doebler, Hans Höhne, Robert Gerngroß, Heinz Matthies, Gerhard Witte, Franz Kusmierek, Werner Welzel, Willi Rottmann und Rudi Kersten den ersten großen Erfolg nach dem Zweiten Weltkrieg für das Team aus dem Schillerpark, dem auch noch die Ersatzspieler Otto Schnelle und Horst Knick angehörten.

Grundlagen früh gelegt

Doch die Grundlagen für den Pokalgewinn waren schon viel früher gelegt worden. So kickten der 39-jährige Elze, der 36-jährige Gerngroß und auch der 26-jährige Welzel schon in den 1930er und 1940er Jahren bei Dessau 05 in der höchsten deutschen Spielklasse. Sie verfügten neben erstklassigem Können über einen großen Erfahrungsschatz. Andere waren beim 05er Nachwuchs groß geworden, der ebenso einen klangvollen Namen in Mitteldeutschland hatte. Und nicht zuletzt kamen sehr gute Spieler aus Dessauer Vereinen und aus solchen der umliegenden Orte in den Schillerpark. Sie alle suchten die Herausforderung, wollten in einem der bestens Teams der Region spielen.

Auf einen und dazu noch sehr wichtigen Spieler mussten die Dessauer gleichwohl in Halle verzichten. Regisseur und Spielertrainer Hans Manthey war von den Fußball-Verantwortlichen beim Deutschen Sportausschuss (DS) mit einer Auswahl nach Budapest zu den II. Weltfestspielen der Jugend und Studenten geschickt worden. Dort verfolgte er, wenn auch zähneknirschend, das Spiel am Radio. Der Sieg dürfte ihn für die erzwungene Abwesenheit entschädigt haben.

Natürlich fehlten dem Team auch viele andere erfahrene Spieler, welche etliche Monate zuvor den Verein verlassen und ihr Glück jenseits der Zonengrenze gesucht hatten. Zu nennen wären da unter anderem Helmut Schmeißer (Stuttgarter Kickers, HSV), Heinz Trenkel (HSV), Karlheinz Höger, Franz Graul und Heinrich Nehlsen (alle Werder Bremen).

Schwerer Weg ins Finale

Und auch der Weg ins Kurt-Wabbel-Stadion war nicht leicht gewesen. Das Landespokalfinale hatte man zwar erreichen können, doch dann gegen Fortschritt Eilenburg mit 1:3 verloren. Glücklicherweise erlaubten die Verantwortlichen jedoch beiden Teams, an der folgenden zentralen Runde teilzunehmen. In der gewann Waggonbau gegen Volkspolizei Potsdam mit 6:3. Die BSG Carl Zeiss Jena wurde 2:0 geschlagen. Damit war nicht nur die Endspielteilnahme sondern gleichzeitig die Qualifikation für die Oberliga, damals DS-Liga, geschafft.

Um den ersten zentral ausgespielten DDR-Meistertitel durften nämlich nur die Landes- und Landesvizemeister der Saison 1948 / 49 - in Sachsen-Anhalt waren das Freiimfelde Halle und Eintracht Stendal - sowie die Endspielteilnehmer des FDGB-Pokals und der Drittplatzierte dieses Wettbewerbs kämpfen. Das 14er-Feld machte der Dritte der sächsischen Meisterschaft komplett. Damit wollte der Verband der Spielstärke der dortigen Teams gerecht werden.

Die Dessauer Mannschaft aber hatte mit ihrem Pokalsieg den Grundstein für eine erfolgreiche Zeit in der späteren DDR-Oberliga gelegt.