1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Rhetorik an der Uni: Redeangst ist kein Schicksal

Rhetorik an der Uni: Redeangst ist kein Schicksal

Von Nina C. Zimmermann 24.09.2007, 06:52

Chemnitz/Köln/dpa. - «Ich war so aufgeregt, dass meine Zunge schwer wurde und ich manchmal kein Wort herausbekommen habe.» Ein typischer Fall unter Hochschülern, sagt der Psychologe Hans Krips: «Die Angst, vor fremden Menschen zu sprechen, ist weit verbreitet - mehr noch als die Angst vorm Fliegen oder vor Spinnen und Mäusen.»

Vielen, die in seine Sprechstunde beim Kölner Studentenwerk kommen, gehe es wie Katharina Neubert. Vor allem zu Studienbeginn hatte sie oft mit dem unangenehmen Gefühl zu kämpfen: «Ich stehe hier vor 60 unbekannten Kommilitonen, die sowieso alles besser wissen als ich.» Solche Gedanken lassen Selbstzweifel wachsen. Wer deshalb Referate immer wieder vor sich herschiebt, dessen Angst werde immer größer, sich vor Publikum zu äußern, sagt Krips. Sein Tipp lautet daher: in Seminaren von Anfang an so viel wie möglich mitarbeiten, also schon lange, bevor das erste Referat ansteht.

Schon einfache rhetorische Kniffe können helfen: «Wer im Seminar exakt formuliert, sich fachsprachlich ausdrückt oder überhaupt nur Fragen stellt, setzt sich von den vielen anderen ab und fällt damit auf», sagt Gloria Beck. Eine Umfrage unter Dozenten habe ergeben, diese wünschten sich am häufigsten, dass Studenten überhaupt etwas sagen. Wer keinen Einfall habe, der warte einfach ab, was die anderen sagen und vertrete dann eine vermittelnde oder gegensätzlich Position.

Auch Beck ist überzeugt, dass es keinen Sinn hat, sich vor mündlichen Beiträgen oder Referaten zu drücken. Die seien fast immer Pflicht. «Wenn einer Redeangst hat, dann hat er sie. Aber das macht keinen Unterschied in der Bewertung», sagt die Autorin. In der Uni komme es auf die Inhalte an, den Aufbau, das Wissen, die Antworten. «Ob dabei einer nun rot im Gesicht war oder blass, ist vollkommen gleichgültig.»

Hilfe bieten Rhetorik-Seminare. Angeboten werden sie von Studienberatungen, Studentenwerken oder Volkshochschulen. «Natürlich kann ich aus einem schüchternen Studenten keinen Entertainer machen», sagt Holger Walther von der psychologischen Beratung der Berliner Humboldt-Universität. Bis zu einer gewissen Grenze lasse es sich aber üben, selbstbewusster aufzutreten. Wer allerdings merkt, dass er mehr als nur Lampenfieber empfindet und mündliche Beteiligung permanent meidet, sollte die psychologische Beratung vom Studentenwerk oder der Studienberatung aufsuchen, rät Holger Walther. Er hält es für sinnvoll, sich mit den Themen «Wie halte ich ein Referat?» und «Wie gehe ich mit Redeangst um?» schon zu Studienbeginn auseinanderzusetzen.

Literatur: Gloria Beck: Rhetorik für die Uni, Eichborn, ISBN: 3-8218-5910-5, 14,90 Euro; Ursula Steinbuch: Raus mit der Sprache. Ohne Redeangst durchs Studium, Campus, ISBN: 3-593-37838-8, 12,90 Euro; Christian Blum: Debattieren. Die Königsform der Rhetorik erlernen, Ariston, ISBN 978-3-7205-4009-4, 14,95 Euro.