Retrospektive von Peter Doig in Frankfurt
Frankfurt/Main/dpa. - Ein Mann steht am Ufer eines Sees und ruft über das Wasser, Zweige verdecken den Blick auf einen menschenleeren Wohnblock, eine verschwommene Gestalt breitet ihre Flügel aus
Die Arbeiten des in Schottland geborenen und in der Karibik lebenden Malers Peter Doig haben etwas Unheimliches. Der Mann am Ufer könnte nach einem Ertrunkenen suchen, im Gebüsch mag sich ein Voyeur verbergen, der Geflügelte scheint einem Traum entstiegen. Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt vom 9. Oktober bis zum 4. Januar die bislang größte Doig-Retrospektive in Deutschland.
«Seine Arbeiten sind bahnbrechend», sagte Schirn-Direktor Max Hollein. «Doig hat das Atmosphärische in die Malerei zurückgebracht». Dieses Atmosphärische habe aber stets etwas Abgründiges «wie ein Déjà vu, ein Echo, eine Erinnerung, ein Traum». Sie changieren zwischen Figuration und Abstraktion. Typisch für Doigs Bilder ist, dass sich etwas «wie ein Vorhang» vor den eigentlichen Bildgegenstand schiebt und diesen verschleiert, erklärte Kuratorin Katharina Dohm. Manchmal sind das Äste oder Schneeflocken, manchmal aber wirken die Bilder auch, als liege ein Schleier darüber oder als habe Säure sie zerfressen.
Doig ist ein Kosmopolit. 1959 wurde er in Schottland geboren, wuchs in Kanada und der Karibik auf und lebte lange in London, wo er schnell berühmt wurde. Seit fünf Jahren wohnt er in wieder Trinidad - «ein sehr inspirierender Platz», wie Doig in Frankfurt berichtete. Dass er dort weit weg ist vom internationalen Kunstmarkt, behindert den Erfolg nicht: Im vergangenen Jahr wurde sein Bild «Weißes Kanu» für 5,7 Millionen Pfund (rund acht Millionen Euro) versteigert - fast das Vierfache des Schätzpreises.
Für Schirn-Direktor Hollein war die Doig-Schau «ein großes Anliegen und ein langgehegter Wunsch». In zwei Gruppenausstellungen hatte er Doigs Bilder bereits zeigen können, nun gibt es endlich eine große Retrospektive. Sie entstand in Zusammenarbeit mit Museen in London und Paris, wo die Ausstellung bereits in abgewandelter Form zu sehen war. Beide Schauen jedoch seien wesentlich kleiner gewesen, sagte Hollein. Neu dazugekommen sind in Frankfurt unter anderem mehr als 130 handgemalte Filmplakate.
In seinem Atelier in einer alten Rumfabrik zeigt Doig einmal wöchentlich Filme, für die er stets ein Plakat malt. Die Schirn hat die Idee aufgegriffen und verwandelt einen Raum der Kunsthalle jeden Mittwochabend in Doigs karibischen «Studiofilmclub». Es laufen Filme, die der Maler zusammen mit seinen Düsseldorfer Kunst-Studenten ausgewählt hat - an den Wänden neben der Leinwand hängen die Plakate.
Die Gemälde und Zeichnungen im Hauptteil geben einen Überblick über Doigs Schaffen der vergangenen 20 Jahre, angefangen mit dem 3,60 Meter langen «Echo Lake» von 1998 und endend mit dem 3,50 Meter langen «Man Dressed as Bat» von 2007 am anderen Ende der Kunsthalle. Dazwischen hängen - in chronologischer Reihenfolge - frühe Winterszenen aus Kanada, die Serie «Concrete Cabin» über eine Trabantensiedlung in Frankreich und tropische Landschaften mit Kanus und Booten. «Die Gemälde von Peter Doig führen uns zu seltsamen Orten», beschreibt Judith Nesbitt im Katalog die suggestive Wirkung dieser Bilder. «Es können ganz gewöhnliche Orte sein, doch es hängt eine merkwürdige Stille über ihnen - keine Ruhe, sondern eine Totenstille».