Reinhard Rauball: «Wie haben das konservativste System in Europa»
Dortmund/dpa. - Reinhard Rauball ist Präsident desLigaverbandes. Der 61 Jahre alte Jurist trat Anfang August 2007 nachder Generalversammlung der 36 Profi-Clubs die Nachfolge von WolfgangHolzhäuser an. Darüber hinaus wurde er im vorigen November in seinemAmt als Präsident des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmundbestätigt.
Die Fans werden sich in Zukunft an einen anderen Spielplan gewöhnenmüssen. Was hat die Liga zu diesem Schritt bewogen?
Rauball: «Zum einen sportliche Gründe. Wie beispielsweise bei derEinführung des dritten Sonntagsspiels, das aufgrund der zunehmendzahlreichen UEFA-Cup-Spiele mit deutscher Beteiligung am Donnerstagnötig wurde. Oder bei dem Entschluss für ein 'Spiel des Monats' amSamstag, das nach Länderspielen zusätzliche Erholungszeit bietensoll. Darüber hinaus haben natürlich auch - und es wäre töricht, daszu verschweigen - Vermarktungsaspekte eine Rolle gespielt. DieFernseheinnahmen sind ein gravierender Eckpfeiler zur Finanzierungdes Profi-Fußballs. Es ist dabei natürlich schwierig, es allen rechtzu machen. Um den größten gemeinsamen Nenner zu finden, haben wirdieses Modell gewählt. Wir sind sicher, dass es greift.»
Der Sonntag gilt als Tag der Familie und des Amateurfußballs. Machtes deshalb Sinn, drei Bundesligaspiele am Sonntag auszutragen?
Rauball: «Erlauben Sie mir den Hinweis auf die Verhältnisse imAusland. Wir haben sechs verschiedene Anstoßzeiten allein in derPremier League; in Spanien gibt es vier. Die Italiener haben auchzwei Spiele am Samstag- und am Sonntagabend. Die sind auch sehrfamilienfreundlich, dennoch hat sich das dort eingependelt. Zudem gabes Klagen von UEFA-Cup-Teilnehmern über zu kurze Regenerationszeiten.Hätten wir das alte Muster beibehalten, wäre das Problem kaum zulösen gewesen.»
Dennoch haben einige Vertreter von Amateurvereinen Unverständnisgeäußert. Wird der Graben zwischen Amateur - und Profifußball größer?
Rauball: «Dieses Modell haben wir vorher in einem Gespräch mit demPräsidenten und dem Generalsekretär des DFB besprochen. Der DFB istsehr kooperativ in dieser Frage und überlässt der Liga in diesemPunkt die Vorreiterrolle. Wir waren bei Treffen mit Amateurvereinen.Dabei haben wir mehr Zustimmung bekommen, als wir erwartet haben.Hinzu kommt, dass nur noch ein gutes Drittel aller Amateurspiele amSonntag stattfindet. Im Übrigen - und das ist weithin nicht bekannt -profitiert auch der DFB über den Grundlagenvertrag mit drei Prozentvon den Medien-Einnahmen der Liga. »
Wie kommentieren Sie die Kritik an den frühen Anstoßzeiten in der 2.Liga am Sonntag um 12.30 Uhr?
Rauball: «Es gab bei der Informationsveranstaltung, bei der die DFLden Spielplan und die Verwertungsszenarien vorgestellt hat, nichteine einzige kritische Stimme. Die 2. Liga hat schließlich einigeVorteile von dem neuen Spielplan-Modell. Das Montagsspiel bleibtunangetastet, es gibt ein zusätzliches Live-Spiel am Samstag - undvor allem werden anders als in anderen europäischen Ländern zeitlicheÜberlappungen mit der Spitzenliga vermieden.»
Kommerzielle Gründe haben bei der Neugestaltung des Spielplans diegrößte Rolle gespielt. Wird die Rechnung aufgehen?
Rauball: «Vermarktungsgesichtspunkte haben eine wichtige, aber nichtdie alleinige Rolle gespielt - so sollte man es wohl formulieren.Dass der neue Spielplan ebenso wie die Verwertungsszenarien fürinteressierte Medien-Unternehmen hochattraktiv sind, davon sind wirüberzeugt. Das liegt auch am neuen Vermarktungsmodell. Sender undInfrastruktur-Betreiber wie Kabel-Anbieter können nun ohne großeVorab-Investitionen ein fertigproduziertes Programm erwerben. Hinzukommt, dass sich Unternehmen, die sich nicht das ganze Paket leistenkönnen, die Chance erhalten, sich für attraktive Einzelpakete wiebeispielsweise das Samstagabendspiel zu bewerben. Wir schaffen damitWettbewerb - ganz im Sinne des Bundeskartellamts. Es liegen bereits200 Interessenbekundungen vor.»
Welchen Einfluss hat Leo Kirch bei der Erstellung des Spielplansgenommen?
Rauball: «Gar keinen. Natürlich spricht und kooperiert man mitVertragspartnern. Aber in den Spielplan redet der Liga niemand rein.»
Müssen die Fans fürchten, dass es die ARD-Sportschau in derbisherigen Form bald nicht mehr gibt?
Rauball: «Das wird die Ausschreibung entscheiden. Klar ist aber: Alljene, die es sich nicht leisten können, Geld für das Pay-TVauszugeben, haben bei einem Aus für die zeitnahe Zusammenfassung amSamstag die Möglichkeit, mindestens 18 Live-Spiele im Free-TV zusehen. Hinzu käme eine Mini-Sportschau mit bis zu vier Begegnungen amSonntag, von welchem Free-TV-Sender auch immer sie gezeigt wird. DerBall liegt jetzt im Vorgarten der ARD. Die ARD kann mit einementsprechenden Gebot unter Beweis stellen, was ihr die Sportschauwert ist. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es die ARD-Sportschau am frühen Samstagabend weitergibt.»
Aber warum soll die ARD mehr Geld für weniger Spiele geben?
Rauball: «Wir konnten früher für eine Million Euro einenWeltklassespieler verpflichten, heute muss man dafür 20 MillionenEuro hinlegen. So wie sich der Spielermarkt weiterentwickelt hat,haben sich auch das Produkt Bundesliga und der TV-Marktweiterentwickelt. Es steht außer Frage, dass die Bundesliga einhochattraktives Premiumprodukt ist.»
Wo liegen die Grenzen der Kommerzialisierung? Wie groß ist dieGefahr, in den Ruf der Geldgier zu geraten?
Rauball: «Das Wort Geldgier möchte ich so nicht stehen lassen. Wirreden über ein Produkt, das im Markt unter Wettbewerbsbedingungenangeboten wird. Es ist nicht sittenwidrig, das auszureizen. Aber esgibt Grenzen. Ich habe mit ziemlicher Enttäuschung das Urteildes Landgerichts in Hannover verfolgt, wonach demnächst auch aufHosen Werbung getragen werden darf. Wir müssen verhindern, dasskickende Litfass-Säulen die Punktspiele bestreiten.»
Aber es wird bereits über weitere Erlösmöglichkeiten wie derVermarktung des Liganamens nachgedacht ...
Rauball: «Wir waren in Deutschland bisher im Grundsatzaußerordentlich konservativ. Wir haben weder einen Liga-Sponsor nocheinen einheitlichen Ligaball. Gleichzeitig haben wir die niedrigstenEintrittspreise aller Top-Ligen in Europa und verfügen über diemodernste Stadion-Infrastruktur. Ich vertrete daher die Auffassung:Wir haben das konservativste System, was es in Europa gibt.Wohlüberlegt ausgewählte Entwicklungen nachzuholen, die in anderenLändern längst Usus sind, hat daher nichts mit Geldgier zu tun.»
Wie zuversichtlich sind Sie, dass das Kartellamt der zentralenVermarktung zustimmt?
Rauball: «Wir sind in einem lautlosen Dialog mit dem Kartellamt.Unser Zeitdruck ist dort bekannt. Es gibt in Europa in 16 von 19Ländern die Zentralvermarktung. Zwei weitere überlegen, auch diezentrale Vermarktung einzuführen. Das Europäische Parlament hat inder vorigen Woche außerordentlich positive Signale ausgestrahlt. Dasalles stimmt uns optimistisch, dass wir eine Lösung im Sinne unsererClubs bekommen.»
Was passiert, wenn das Kartellamt nicht in Sinne der DFL entscheidet?Gibt es einen Plan B?
Rauball: «Sie können sicher sein, dass es bei Ligaverband und DFLgrundsätzlich bei sämtlichen Themen von Bedeutung - auch jenseitsvon der Vermarktungsthematik - Alternativüberlegungen gibt. Auch wenndiese niemals zum Tragen kommen. Wir sind aber weiter fest davonüberzeugt, dass wir nicht in einer Sackgasse landen und unserinnovatives Vermarktungskonzept umsetzen können. Für alles anderegibt es keine Anhaltspunkte.»