Regensburg Regensburg: Gotik an jeder Piazza

Regensburg/dpa. - Die Dunkelheit ist kein angenehmerBegleiter. «Ich finde bei Nacht das Reisen gefährlich», befand JohannWolfgang von Goethe und legte bei seiner Italien-Reise einenächtliche Rast in Regensburg ein. Er war nicht der einzigeProminente, dem die Stadt in ihrer gut 2000-jährigen GeschichteObdach bot. An nahezu jeder Ecke der 1,15 Quadratkilometer kleinenmittelalterlichen Altstadt steht der Besucher auf historischem Grund.
1400 Gebäude sind unter Denkmalschutz gestellt, und zu fast jedemStein gibt es eine Geschichte zu erzählen. Unablässig schlängeln sichReisegruppen hinter den Stadtführern durch die Gassen. Amerikaner undJapaner machen auf Donaukreuzfahrten in der Domstadt halt - oft nurfür zwei Stunden. Andere Besucher nehmen sich mehr Zeit und können inder heutigen «Hauptstadt der Oberpfalz» so einiges entdecken.
Die Gassen sind eng und verwinkelt, und wer nicht mitunter stehenbleibt und den Blick nach oben richtet, läuft an Sehenswertem vorbei.So errichteten reiche Kaufleute im Mittelalter die so genanntenPatrizierburgen, gewaltige Steinhäuser, in denen heute ganzeStudentenwohnheime Platz finden.
50 Meter hoch und prächtig bemalt ist der Goldene Turm, der als«Wolkenkratzer des Mittelalters» gilt. Ähnliche Bauwerke stehen vorallem jenseits der Alpen in Siena und San Gimignano. Überhaupt heißtes oft, die Donaustadt, die ihren Namen vom zufließenden Regen hat,sei die nördlichste Stadt Italiens. Wer Cappuccino schlürfend aufeinem der Plätze sitzt, kann diesen Eindruck tatsächlich gewinnen.
Bereits 500 vor Christus fanden es die Kelten in Radaspona amnördlichsten Punkt der Donau so schön, dass sie sich niederließen.Kaiser Marc Aurel gründete fast 700 Jahre später die erste bedeutenderömische Siedlung, deren mächtige Quadersteine heute an der PortaPraetoria teils freigelegt sind. Große Geschichte wurde vom sechstenJahrhundert an geschrieben: Regensburg war die Residenzstadt mehrererAdelsdynastien, etwa der Karolinger. Schließlich kamen dieWittelsbacher - und richteten sich am längsten an der Donaustadt ein.Durch den Fernhandel wurde die heute 140 000 Einwohner zählende Stadtreich - Prachtbauten aus jener Zeit legen darüber heute Zeugnis ab.
Doch es kam noch besser für das heutige Zentrum Ostbayerns: Alsfreie Reichsstadt wurde Regensburg 1245 unabhängig und 1663 Sitz desReichstages im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Ausheutiger Sicht hatte dieser Sonderstatus Nachteile: Die Bayernherzögewanderten ab, denn die Stadt war aus dem bayerischen Bundausgeschieden.
Zahlreiche Sitten und Gebräuche, die im Alten Rathaus der Stadt,dem Sitz des ersten Immerwährenden Reichstag, ihren Ursprung haben,sind in den Sprachgebrauch eingegangen. So finden sich dort die«langen Bänke», auf die Fürsten, Bischöfe und Gesandte etwas schoben,und die «grünen Tische», an denen es dann doch zu Entscheidungen kam.In der Folterkammer im Keller, der «Fragstatt», wurde nicht seltender Stab über einem Angeklagten gebrochen - hörte der das Geräuschdes zerbrechenden Stocks, konnte er mit seinem Leben abschließen.
Stöcke und Steine waren wichtige Materialien in vergangenenJahrhunderten - so auch für die Steinerne Brücke, die im 12.Jahrhundert 330 Meter lang über die beiden Donauarme erbaut wurde undals architektonisches Wunderwerk gilt. Zu dieser Zeit, so will eseine Sage, lief eine Wette zwischen dem Brücken- und demDombaumeister, wessen Werk als erstes fertig würde. Der Teufel solldem Bruckmandl zur Hilfe gekommen sein - der allerdings verharrtseitdem jenseits des Brückturms und hat den imposanten Dom nie vonnahem gesehen.
St. Peter ist das Hauptwerk der Gotik in Bayern und mit seinenimposanten 105 Meter hohen Türmen immer wieder Wegweiser, wenn man inden schmalen, verwinkelten Gassen nach Orientierung sucht. Neben denweltbekannten Domspatzen, die jeden Sonntag zum Hochamt singen, hatder Dom weitere Schätze aufzubieten - und selbst wer sich derlängsten Führung anschließt, hat noch immer nicht alles gesehen.
Zwar ist «der kleine Bruder des Kölner Doms» von außen dieimposanteste der 25 Altstadtkirchen. Doch die Innenräume andererGotteshäuser sind prachtvoller - so die Alte Kapelle am Kornmarkt,nur einen Steinwurf entfernt. Nicht so eindrucksvoll ist dieNiedermünsterkirche auf der anderen Seite des Platzes, die aber aufhistorischem Grund steht. Als dort der Boden für Renovierungsarbeitenabgetragen wurde, fanden Bauarbeiter drei alte Kirchen und Fundamenterömischer Siedlungen aus dem vierten Jahrhundert.
In Regensburg vermischt sich die Geschichte mit dem quirligenLeben des dritten Jahrtausends: Rund 60 mittelalterliche Hauskapellensind erhalten - viele von ihnen werden als Boutiquen oder Cafésgenutzt. In sieben Patrizierburgen wohnen heute Studenten, die PortaPraetoria ist ein Hotel. Die «Kantine» der Errichter der SteinernenBrücke, die historische Wurstküche direkt am Donauufer, ist dasälteste Restaurant der Stadt - und geht mit jedem Hochwasser, das sieübersteht, ihrerseits in die Geschichtsbücher ein.
Informationen: Tourist-Information, Altes Rathaus, 93047Regensburg (Tel.: 0941/507 44 10)