Rainer Maria Rilke schreibt an Auguste Rodin Rainer Maria Rilke schreibt an Auguste Rodin: Gottvater und sein Sekretär
Halle/MZ. - Die physische Arbeitsbelastung des 35 Jahrejüngeren Dichters, der das eigene literarischeSchaffen vernachlässigen muss, Vertrauensschwundbeim oft knarzigen Rodin sowie Ärger angesichtsletztlich banaler Missverständnisse habenzur Trennung zwischen dem"alten Gott" undseinem zeitweiligen "Privat-Sekretär" geführt.
Sieben Jahre später wird es zum endgültigenBruch kommen, und 1924, wiederum sieben Jahrenach Rodins Tod, wird Rilke seine ja nichtganz uneigennützige Dienstleistung für denfranzösischen Oberbildhauer auf nur "fünfMonate(!)" revidieren. Das Verhältnis warund blieb stets ambivalent, gleichermaßengekennzeichnet von Nähe und Distanz, wobeidie pathetisch huldvolle Annäherung des aufstrebendenjungen Lyrikers zu Beginn ab 1902 sich hernachin seine deutliche, bisweilen auch recht selbstgefälligeEmanzipation vom olympischen Bildschöpferverwandelte. Gottvater und sein Zauberlehrling:Diese legendäre Künstler-Beziehung gehörtzu den spannendsten Kapiteln der rezeptivenKunstgeschichte. Das belegt vor allem diezwar nicht lückenlos, aber weitgehend erhalteneKorrespondenz der beiden solitären Großmeister.Sie ist nun, soweit bekannt, erstmals vollständigin deutscher Sprache erschienen, herausgegebenund klug kommentiert von Rätus Luck, im Sinnedes besseren Verständnisses der Chronologieüberdies ergänzt durch Tagebuchnotizen undschriftliche Äußerungen Rilkes zu Rodin gegenüberDritten sowie deren Augenzeugenberichte. Diedirekte Korrespondenz umfasst insgesamt 128Briefe; der letzte, von der Hand des Rodin-SekretärsSauzé, stammt vom 13. Mai 1913. Rilke schreibtentschieden häufiger und ausführlicher, Rodinantwortet offenbar nicht immer, meist indessehr knapp. Er kann kein Deutsch, kennt zumindestanfangs folglich kein Werk des jugendlichenDichter-Freundes. Alle Texte müssen ihm erstübersetzt werden, während Rilkes unsicheresbis schlechtes Schrift-Französisch nach eigenemBekunden bestenfalls "fürs Fegefeuer" taugt.Trotz der zunächst schwierigen Konditionensucht er am 28. Juni 1902 jedoch forsch denpersönlichen Kontakt im Hinblick auf seineRodin-Monografie (laut Stefan Zweig "wohlder schönste Essay im Deutschen").
Zugleich erhofft sich Rilke nach ihren PariserStudien aber auch eine unmittelbare Förderungseiner bildhauerisch tätigen Frau Clara Westhoffaus Worpswede. Sie wird Rodin, der sich Gegenbesuchenverweigert, freilich eher selten treffen -einmal 1905 auf dessen Landsitz Meudon, woRilke derweil eine Dependance bewohnen darf,dann Mai 1912 im Hôtel Biron, dem heutigenMusée Rodin zu Paris, das Clara 1908 entdeckthatte und wo unsere Briefpartner nach Rilkes"wagehalsigem" Einzug noch Nachbarn für dreiJahre gewesen sind. Der dringende WesthoffscheWunsch, eine Porträtbüste von Rodin zu realisieren,scheitert zudem an des "lieben Meisters" beharrlicherVerzögerungstaktik.
Eine menschlich komplizierte, wiewohl künstlerischprofitable Verbindung ist das, jedenfallsfür den damals schon überaus kunsterfahrenenRilke als eine "Art Türwächter an der Rodin'schenPforte" (Verleger Anton Kippenberg). Dennder höchst aufschlussreiche Briefwechsel erhelltmit allen nötigen Zutaten: Sein Interesseam "métier" gilt als willkommene Schule desSehens in erster Linie dem individuellen poetischenProgramm.
Rainer M. Rilke, August Rodin: "Der Briefwechsel",Insel Verlag, Frankfurt 2001, 426 Seiten,mit Abb., 32,80 Euro.
(Artikel wurde gekürzt. Den vollständigen Artikel lesen Sie in der MZ vom 05.04.2002.)