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Radsport Radsport: Marco Pantani tot im Hotel gefunden

Von Andreas Zellmer und Bernhard Krieger 15.02.2004, 14:00

Rimini/Berlin/dpa. - Der 34-jährige Radprofi, der 1998 die Tour de France vor JanUllrich gewann und im selben Jahr beim Giro d'Italia triumphierte,litt seit einiger Zeit an starken Depressionen. Deshalb suchtePantani im vergangenen Juni eine Klinik auf. Zuletzt hatte dereigentlich feingliedrige Bergspezialist rund 25 Kilo zugenommen, sichvon seiner Familie abgekapselt und völlig isoliert gelebt. Wiebekannt wurde, wollte Pantani vom 27. Februar an in Bolivien eineEinrichtung für Drogenabhängige aufsuchen.

Angestellte der Nobel-Herberge «Le Rose» hatten Pantani, der vorsechs Tagen eingezogen war, tot aufgefunden. Sie hatten seinabgeschlossenes Zimmer geöffnet, nachdem der prominente Gast langenicht aufgetaucht war und zuletzt «immer abwesender» wirkte. Dieermittelnde Polizei fand in seinem Zimmer mehre Packungen mitBeruhigungs-Tabletten und Anti-Depressiva - insgesamt dreiverschiedene Präparate. Der Arzt Francesco Toni, der den Tod Pantanisfeststellte, betonte, dass der Radprofi an einem Herzstillstandgestorben sei, dessen Gründe noch nicht bekannt seien.

Eine Autopsie in der Universitätsklinik Bologna am Montag soll diegenaue Todesursache ergeben. Um 1.25 Uhr wurde die Leiche desRadprofis in die Pathologie des Krankenhauses Infermi in Riminigebracht. Auf der Straße standen 200 Fans Spalier. «Er ist gegangen»,titelte «La Gazzetta dello Sport» am Sonntag in großer Aufmachungund konstatierte: «Die Welt weint».

«Das war ein großer Schock für mich - ich weiß nicht, was ichsagen soll. Beim Giro 2001 bin ich zuletzt in einem großen Rennengegen ihn gefahren», erklärte Ullrich, der sich zur Zeit imTrainingslager in der Toskana aufhält. «Er hat alles teuer bezahlt»,sagte Pantanis Vorgänger als italienischer Toursieger, FeliceGimondi, der den exzentrischen Star lange Zeit auch im Team MercatoneUno betreut hatte. «Für den Radsport ist es eine große Tragödie»,meinte Ex-Weltmeister Mario Cipollini, der die Popularitäts-Höhen desBergspezialisten mit dem Piratentuch kaum erreichte.

Der Franzose Richard Virenque, Hauptdarsteller des Festina-Doping-Skandals von 1998 und später Doping-Geständiger, gab der Presse eineMitschuld am Untergang des sensiblen Italieners, der seit 1992 Profiwar. «Pantani hat sicher Fehler gemacht. Aber er ist die Beute deritalienischen Justiz geworden, die ihn nicht mehr losgelassen hat.Das hat ihn völlig zerstört», urteilte der fünffache Tour-Sieger EddyMerckx.

Marco Pantani war im Radsport ein Markenzeichen: Als «Il Pirata»präsentierte er sich mit glatt rasiertem Schädel, abstehenden Ohren -die er sich vor zwei Jahren richten ließ - und unberechenbarerAngriffslust am Berg. Ullrich erlebte 1998 sein Waterloo gegenPantani, der ihm beim Aufstieg nach Les Deux Alpes bei Regen undSturm 8:57 Minuten abnahm und sich den Tour-Sieg sicherte. Pantanisletzter großer Erfolg datierte aus dem Jahr 2000, als er vor seinemspäteren Ausstieg zwei Tour-Etappen gewann. Ein Jahr davor erlebte ereinen seiner dunkelsten Tage, als er als Spitzenreiter des Giro wegenDoping-Verdachts einen Tag vor Ende der Rundfahrt suspendiert wordenwar - ein Prozess deswegen stand bevor. «Er ist schon viel frühergestorben», schrieb der «Corriere della Sera» und nahm Bezug auf diefolgenreiche Disqualifikation.

Nach einer langen sportlichen Durststrecke, unterbrochen vonDoping-Prozessen und neuen Anschuldigungen, schien es im Vorjahrlangsam wieder bergauf zu gehen: Pantani beendete den Giro als 14.Aber danach wurde immer häufiger um seinen Rücktritt spekuliert, auchwenn bis Samstag auf seiner Homepage noch zu lesen war: «Ich macheweiter.» Freunde versuchten vergeblich, an ihn heranzukommen: «Ichwusste, dass es ihm schlecht geht. Ich habe mehrmals versucht, mitihm Kontakt aufzunehmen. Aber das gelang mir nicht», sagte InterMailands Trainer Alberto Zaccheroni, der wie der achtfache Tour- undGiro-Etappensieger im Adria-Badeort Cesenatico beheimatet ist.

Vor Pantanis Tod hatte eine andere Schreckensnachricht die Rundegemacht. Der 21 Jahre alte belgische Nachwuchs-Fahrer Johan Sermonstarb am Samstag im Schlaf an einem Herzstillstand. Seine Mutter fandihn am Morgen tot im Bett. In Sermon starb der dritte junge Sportlerinnerhalb kurzer Zeit an Herzversagen. Im Vorjahr war der 32-jährigespanische Radprofi José-Maria Jimenez, der auch an Depressionen litt,unter nicht restlos geklärten Ursachen gestorben.