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Projekt Kinderstadt Projekt Kinderstadt: Ein wenig Schatten an der Salle hellem Strande

Von Jens Borghardt 08.07.2002, 06:13

Halle. - «Wieso muss ich ein Hallörchen Steuern zahlen?», fragt der kleine Hannes verständnislos. Denn dieses eine Hallörchen fehlt ihm jetzt an der heiß ersehnten Kino-Karte. Steuern ? klar, die müssen sein. Sagen die Erwachsen, die sich mit dem System abgefunden haben, deren Meinung aber in der Kinderstadt eher unerwünscht war. Doch welches Kind kommt auf diese Idee? Zweifel am kindlichen Ursprung des Konzepts dürfen angemeldet werden. Oder gibt es hierzulande doch ein Bürokratengen, das schon im Kindesalter die Verinnerlichung des Steuersystems programmiert? Hoffentlich nicht. Wahrscheinlicher ist, dass das Konzept der Kinderstadt erwachsenenweltlich überzeichnet ist. Denn auch schon die Führer- oder Betreuer-geleitetete, allmorgentliche Besichtigung der Stadt durch die vielen Neuankömmlinge beraubte Halle an Salle um die Möglichkeit der Selbstorganisation. «Hier könnt ihr dies tun, dort könnt ihr das tun» ? Und schon ist nicht mehr wirklich alles möglich. Deshalb war es wohl auch so selten richtig chaotisch. Natürlich gab es Banküberfälle und Rowdytum, aber über die Abschaffung des Geldes oder der Ratsversammlung wurde nie diskutiert. Doch wo eine Schlange war, stellte man sich an.

«Ich brauche einen neuen Job, darum stehe ich hier», sagt der zwölfjährige Hendrik. «Eigentlich wollte ich Polizist sein, aber die gibt es hier nicht. Es gibt nur Detektive.»Detektive gab es viele, doch manchen Einrichtungen fehlte manchmal das Personal. «Ich glaube, wenn die Kinderstadt keinen Eintritt gekostet hätte, wären noch mehr Kinder gekommen», sagt Franziska Buschbeck, die als Betreuerin beim Radio arbeitete. «Das hätte unserem und anderen Teilprojekten bestimmt zu einer kontinuierlicheren Arbeit verholfen», sagt die Studentin der Sprechwissenschaft weiter. Schade war auch, dass einzelne Attraktionen ins Wasser fallen mußten. So schaffte das Medienmobil vom Medienkompetenzzentrum trotz Zusage nicht den Weg auf die Peißnitz. «In solchen Fällen hat die Kommunikation zwischen den Veranstaltern und den vielen Vereinen nicht gestimmt», glaubt Buschbeck, die auch das Bewusstsein für das große Ganze bei einigen Betreuern und Anbietern vermisste. Diesen Vorwurf müssen sich sogar die Kinderstadt-Organisatoren gefallen lassen: Zum Beispiel ist die Dokumentation des Projektes bis jetzt noch mangelhaft. Auf der Homepage www.kinderstadt-halle.de sind weder das Konzept zu lesen, noch lassen sich Informationen zu den einzelnen Attraktionen oder zum Verlauf des Projektes finden. Ein schweres Versäumnis, wenn man das große, auch überregionale Medieninteresse an diesem Projekt bedenkt.

Trotz der aufgeführten Kritikpunkte bleibt, was die Kinderstadt im vergangenen Monat geleistet hat, ein gelungener und wertvoller Versuch, Kinder den Lebensraum Stadt auf spielerische Art und Weise erkunden zu lassen.