Nationalmannschaft Nationalmannschaft: Schwierige Rückkehr in den Alltag

Düsseldorf/Hannover/dpa. - Direkt von der Trauerfeier im Stadion vonHannover reiste die Nationalelf weiter nach Düsseldorf, wo sich derVize-Europameister nun auf das letzte Länderspiel des Jahres gegendie Elfenbeinküste vorbereitet.
«Es war heute mit der Trauerfeier noch einmal ein sehr emotionalerMoment. Im Bus herrschte noch eine große Betroffenheit und Stille. Esredet eigentlich keiner», berichtete Teammanager Oliver Bierhoff nachder Ankunft in Düsseldorf. Die Spieler hätten sich unbedingt vonihrem Torwart persönlich verabschieden wollen: «Die Möglichkeit, nocheinmal einen Kranz niederzulegen am Sarg, war ein symbolischer Momentfür die Mannschaft.» Auf Spieler, Trainer und Betreuer kommt in dennächsten Tagen ein Spagat ohne bisheriges Beispiel zu. «Jetzt müssenwir versuchen, dass der Anstoß zum Spiel am Mittwoch auch wieder einAnstoß ist in den Fußball-Alltag», betonte Bierhoff.
Löw verzichtet dabei auf Stürmer Miroslav Klose, dessenZwillingssöhne Noah und Luan an Schweinegrippe erkrankt sind. Schonfür Sonntagnachmittag hatte der Bundestrainer im «Hilton»-Hotel eineindividuelle Fitness-Einheit angesetzt - ein erster Schritt zuvertrauten und gewohnten Abläufen. An diesem Montag wird dieNationalelf dann erstmals nach dem Selbstmord von Robert Enke und demdaraufhin vom DFB abgesagten Länderspiel gegen Chile wieder auf demRasen üben. «Wir werden versuchen, die Spieler zu unterstützen und zuhelfen, wieder ein bisschen Lächeln und Hoffnung in die nächsten Tagezu bekommen. Das ist unsere Aufgabe», erläuterte Bierhoff.
Für Löw, der die Abschiedsfeier für den beliebten Enke an derSeite von Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann miterlebte, wird das 45.Länderspiel als Bundestrainer die außergewöhnlichste Mission seinerüber dreijährigen Amtszeit. «Wir haben einen Freund verloren», hatteer erklärt. Auf der anderen, der sportlichen Seite, ist die Partiegegen den WM-Teilnehmer Elfenbeinküste schon der vorletzte Test,bevor der DFB-Chefcoach seinen Kader für die Weltmeisterschaft imSommer nächsten Jahres in Südafrika berufen muss.
Die Partie soll darum neben einem Abschiedsspiel für Enke aucheinen Neuanfang markieren. «Das ist das Leben, wieder nach vorne zuschauen, das Licht zu sehen, die Hoffnung zu sehen, den Fußball so zubestreiten, wie Robert ihn gelebt hat: Mit hoher Emotionalität, mitFreude, mit Leistungsbereitschaft», beschrieb Bierhoff die Aufgabe:«Wir müssen einfach versuchen, ein gutes Länderspiel zu machen. Obdas gelingt, wird man sehen», meinte der Manager, der glaubt: «Dieeine oder andere Trainingseinheit wird dabei helfen.»
Löw wird sich auch wieder mit Personalfragen beschäftigen müssen:Wer steht im Tor? Debütiert der Bremer Aaron Hunt? Bekommt RückkehrerStefan Kießling eine neue Chance? Auch wenn die Mannschaft noch «sehrschockiert und betroffen» sei, habe keiner der 20 Akteure bekundet,gegen die Elfenbeinküste nicht auflaufen zu wollen, sagte Bierhoff.
Bei Klose gibt es zwar keine Symptome, dass er sich bei seinenKindern angesteckt habe, sagte DFB-Mediendirektor Harald Stenger.Aber um auch ein «Restrisiko einer Ansteckungsgefahr auszuschließen»,habe der Bundestrainer entschieden, dass der Stürmer zu Hause bleibt.
Mit einem Film und einer Schweigeminute wird der DFB beim Spielgegen die Elfenbeinküste nochmals Enke gedenken. Die Spieler laufenmit Trauerflor auf. Bierhoff wertete die große Anteilnahme im Team -auch einstige Gefährten wie Torsten Frings, Christoph Metzelder undJens Lehmann waren zur Trauerfeier genommen - auch als ein «Zeichenfür den Zusammenhalt» und «die Freundschaft unter den Spielern».
Löw wird vielleicht noch einen Anruf von Dirk Enke bekommen.Robert Enkes Vater hatte nach der Telefonnummer des Bundestrainersgefragt, weil er Löw «von möglichen Schuldgefühlen befreien möchte»,wie «Der Spiegel» berichtete. Die Nichtnominierung für die aktuellenLänderspiele habe bei Enkes Selbstmord keine Rolle gespielt, so derVater: «Ein wichtiges Anliegen ist mir, Herrn Löw von der Frage zuentlasten: Was wäre, wenn ich ihn nominiert hätte? Ich glaube, dassRobert das in Ordnung fand, weil er neun Wochen raus war.»
Pfarrer Heinrich Plochg machte bei der Trauerfeier den Profis beiHannover 96 und den Nationalspielern deutlich, dass die nächstenSpiele und Trainingseinheiten nicht leicht sein werden. Besonders fürden Spieler, «der zwischen den Pfosten steht». Ursprünglich sollteder Schalker Manuel Neuer gegen die Elfenbeinküste im Tor stehen, nunkönnte er sich diese schwierige Aufgabe mit dem Bremer Tim Wiese fürjeweils eine Halbzeit teilen. Denn man rückt im DFB-Team eng zusammenin diesen Tagen, wie Bierhoff verdeutlichte: «Wir versuchen, alsGruppe und Führung für jeden Spieler da zu sein.»