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Nationalmannschaft Nationalmannschaft: Die Schafkopf-Gemeinschaft

Von JAN CHRISTIAN MÜLLER 10.10.2011, 19:55

DÜSSELDORF/MZ. - Derzeit sehen sich acht Fußballer des FC Bayern München öfter als ihr Spiegelbild im eigenen Bad. Entsprechend intensiv wird neben Fußball also auch Karten gespielt. Thomas Müller und seine Kameraden haben den jüngst zu ihnen gestoßenen Ur-Schalker Manuel Neuer bereits vor dessen Wechsel nach München angelernt. Dabei haben sie eine heimtückische Strategie angewendet, um dem armen Neuer den Mund wässrig zu machen: "Anfangs haben wir ihn ein bisserl gewinnen lassen", so Müller.

Mario Gomez ist schon eine ganze Weile ein Bayern-Mann, er weiß deshalb, dass "der Müller genauso unberechenbar Karten spielt, wie er Fußball spielt". Gomez zieht es deshalb vor, "nicht bis zwölf Uhr in der Nacht in der Players Lounge" Kartenspiele zu verlieren. Aber die Anwesenheit der zahlreichen Kumpels vom FC Bayern weiß der Mittelstürmer dennoch zu schätzen. Nachdem Toni Kroos seine Grippe überwunden hat und nach Düsseldorf geflogen ist, gehören vor dem EM-Qualifikationsspiel heute gegen Belgien acht Spieler aus München zum Kader von Joachim Löw: Jerome Boateng, Holger Badstuber, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Kroos, Neuer, Gomez und Müller.

Mit fünf Jahren Verspätung ist somit der von Uli Hoeneß seinerzeit ausgerufene "FC Bayern Deutschland" Wirklichkeit geworden. Damals klappte das nicht so wie ausgedacht. Es fing schon im Tor an, wo Jürgen Klinsmann lieber Jens Lehmann Bälle halten ließ als Oliver Kahn. Inzwischen haben die Bayern erfolgreich den deutschen Spielermarkt abgegrast - Neuer, Boateng, Kroos, Gomez geholt und den im eigenen Haus ausgebildeten Talenten Schweinsteiger, Lahm, Müller und Badstuber hinzugefügt. Hätte Lukas Podolski nicht so sehr gefremdelt und der für heute Abend wegen einer Innenbanddehnung nicht einsatzfähige Miroslav Klose den angebotenen Einjahres-Vertrag nicht abgelehnt, wären jetzt sogar zehn Münchner dabei.

Der Bundestrainer betont ausdrücklich, dass die Blockbildung nicht dem Arbeitgeber geschuldet ist, sondern der "individuellen Qualität". Thomas Müller bestätigt, eine bayerische Hausmacht existiere nicht, auch wenn die Tatsache, dass Kapitän Lahm und Stellvertreter Schweinsteiger erste Ansprechpartner für das Trainerteam sind, natürlich ins Gewicht falle.

Aber das funktioniert nicht mehr so wie noch bei der WM 1974, als Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Georg Schwarzenbeck, Paul Breitner, Uli Hoeneß, Gerd Müller und Jupp Kapellmann zum Kader von Helmut Schön gehörten und die Alphatiere Beckenbauer, Breitner und Hoeneß erheblichen Einfluss auf die Aufstellung nahmen. Joachim Löw ist ein stärkerer Trainer, als es Schön vor 37 Jahren war. Wer fit ist und gut genug für die erste Elf, wird gegen Belgien spielen, wobei in den Fällen Schweinsteiger und Boateng verletzungsbedingt Ausfälle drohen könnten.

Noch präsentieren Klub- und Nationalmannschaft aber unterschiedliche taktische Systeme. Das Spiel im deutschen Team komme ihm "noch mehr entgegen als bei den Bayern, weil ich hier noch mehr Räume habe", erklärt Gomez. Die Spielweise der Bayern ist als Erbe des Positionsspiels unter Louis van Gaal mehr auf Ballbesitz ausgerichtet als das des DFB-Teams. "Aber Jupp Heynckes will, dass auch bei den Bayern die Post abgeht und wir nicht immer nur einen Trott spielen", erläutert Gomez. Insofern ähnele sich "der Spielstil immer mehr".

Mit dem gewichtigen Unterschied, dass die Bayern kaum Chancen und seit zwei Monaten schon kein Gegentor mehr zulassen, ganz anders als die Nationalmannschaft. Das soll aber bei der EM nicht mehr passieren, verspricht Löw: "Das werden wir intensiv trainieren." Die vielen Bayern im Kader werden die Arbeit erheblich erleichtern.