Minister beruft Spitzenbeamten ab
OSCHERSLEBEN/DPA/MZ/JDS. - Beim Start der Bürgeranhörung zum Atommüllendlager Morsleben in Oschersleben sorgte gestern eine Personalentscheidung von Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) für Aufsehen. Der Leiter des Referats für Strahlenschutz und Nukleare Überwachung, Horst Seida, wurde von seiner Aufgabe entbunden. Hintergrund: Der Spitzenbeamte hat sich beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beworben, das den Antrag zur Schließung des Atommülllagers gestellt hat. Seida hätte die Anhörung leiten sollen und wäre dabei zu absoluter Neutralität verpflichtet gewesen. Diese Aufgabe übernahm Uwe Hoepfner, Mitarbeiter im bislang von Seida geleiteten Referat.
Befangenheitsantrag abgelehnt
Zum Auftakt der Anhörung stellte der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND einen Befangenheitsantrag gegen Mitarbeiter des Ministeriums, die Seida unterstellt waren. Das Ministerium lehnte den Antrag nach einer rund einstündigen Unterbrechung als unbegründet ab. Mit der Amtsenthebung Seidas sei die Unabhängigkeit des Verfahrens gegeben, so Hoepfner.
Für Oliver Wendenkampf, Geschäftsführer des BUND Sachsen-Anhalt, ist der Befangenheits-Verdacht nicht vom Tisch. Vor dem Hintergrund der BfS-Bewerbung Seidas habe er "Zweifel, dass dieses Verfahren im Vorfeld und ab heute neutral geführt werden kann." Deshalb werde der BUND weitere juristische Schritte prüfen. Dabei stellte Wendenkampf das Verfahren insgesamt in Frage und plädierte für einen vorläufigen Stopp. "Sonst könnte später alles für die Katz sein", sagte er der MZ.
Der 51-jährige Jurist Seida hat sich nach eigenen Angaben vor einigen Monaten bei der BfS als Projektleiter für Morsleben beworben. Das Bundesamt habe die Bewerbung Ende voriger Woche überraschend abgelehnt. Das sei mit einer Interessenkollision wegen seiner Zuständigkeit für die Morsleben-Anhörung begründet worden. BfS-Sprecher Florian Emrich: "Wir haben Herrn Seida mitgeteilt, dass seine Rolle als Veranstaltungsleiter nicht vereinbar ist mit einem Wechsel zum Antragsteller."
Seida informierte daraufhin am Montag Minister Aeikens über die Bewerbung. Zuvor sei er "nicht auf die Idee gekommen", dass der Verdacht der Befangenheit entstehen könne. "Das mag etwas blauäugig gewesen sein", sagt er der MZ.
Beamtenpflichten verletzt?
Im Ministerium habe man auf die Mitteilung Seidas "fassungslos reagiert", sagte Sprecher Detlef Thiel. "Auf sowas kommt man ja gar nicht." Aeikens habe dann "sofort reagiert", Seida die Verhandlungsführung bei der Morsleben-Anhörung und die Referatsleitung entzogen. Seida arbeitet indes weiter im Ministerium, wieder als Referatsleiter. Geprüft werde, so Thiel, ob der Beamte die Pflicht gehabt hätte, den Dienstherren früher auf eine mögliche Interessenkollision hinzuweisen. Und ob es weitere dienstrechtliche Schritt geben müsse. Kommentar Seite 4