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Märchen Märchen: Japaner lieben die Brüder Grimm

25.02.2002, 10:17

Kassel/Steinau/dpa. - Manchen Japaner wissen nach Expertenmeinungmehr über Jakob und Wilhelm Grimm und die Volksmärchen aus der Zeitder Romantik als viele Menschen in Hessen, wo die Märchensammler im19. Jahrhundert lebten.

«Die Brüder Grimm sind in Japan bekannter als Goethe», sagt derLeiter des Brüder Grimm-Museums in Kassel, Bernhard Lauer, der auchGeschäftsführer der Brüder-Grimm-Gesellschaft mit 400Wissenschaftlern ist. Märchen-Bände erreichten in Japan Auflagen vonmehreren Millionen Exemplaren. Auch die Geschäftsstellen-Leiterin derDeutschen Märchenstraße, die über mehr als 600 Kilometer von Hanaubis nach Bremen verläuft, ist immer wieder erstaunt über dieKenntnisse von Japanern. «Die wissen so extrem Bescheid über dieBrüder Grimm. Das weiß bei uns kein normaler Bürger», sagt BrigitteBuchholz-Blödow.

Rund ein Viertel der Besucher im Brüder Grimm-Museum in Kassel, wodie Begründer der Germanistik einen Großteil der mündlichüberlieferten Märchen zusammentrugen, kommt aus Japan. Etwa 5000 bis10 000 seien es jährlich, schätzt Lauer, der das Museum nach einerSanierung im Juni wieder öffnen will. In diesem Jahr rechnet derMuseumschef während der «documenta» in Kassel mit einem großenInteresse ausländischer Gäste. Auch bei Koreanern, Chinesen undNordamerikanern seien die Grimms, die 1812 ihre erste Aufgabe der«Kinder- und Hausmärchen» herausgaben, sehr beliebt.

Japanische Touristen machen stets auch in Hanau, wo dieMärchensammler 1785 und 1786 geboren wurden, und in der kleinen StadtSteinau im Main-Kinzig-Kreis halt. In einem ehemaligen Amtshausverbrachten die Grimms dort ihre Jugend. Heute gibt es alsAusstellungsgebäude Einblicke in ihr Leben und Wirken.

Doch das größte «Museum» steht in Japan: Auf der Insel Hokaidolässt der Erlebnispark «Brüder Grimm-Glückskönigreich» die Fantasie-Welt mit Prinzessinnen, Hexen und Zwergen aufleben. Dort sind unteranderem das Hanauer Rathaus und das Brüder-Grimm-Haus in Steinaunachgebildet. Die Märchen sind in Ostasien so populär, dassjapanische Fernsehteams jedes Jahr an den authentischenAufenthaltsorten von Jakob und Wilhelm Grimm drehen. Umgekehrt reisenauch hessische Grimm-Freunde in das ferne Land: Die Stadt Hanau willin diesem Jahr ein Stück ihrer Märchenfestspiele in der PartnerstadtTottori aufführen.

Das große Interesse der Japaner an den Brüdern Grimm versucht derjapanische Germanist Isamitsu Murayama unter anderem mit den «dunklenSeiten» in den Märchen zu erklären. Die scheinbar harmlosenGeschichten hätten grausame und erotische Momente, sagt derWissenschaftler, der an seiner Doktorarbeit zur Poesieauffassung derBrüder Grimm sitzt. «In Japan herrscht immer noch eine großePrüderie», meint er. Deshalb sei das Interesse an den Märchen, indenen viele sexuelle Anspielungen steckten, umso größer.

Der Kasseler Museumsleiter Lauer sieht die Liebe zu denVolksmärchen historisch begründet. Als sich Japan 1867 öffnete, habees sich vor allem an Deutschland als wichtigster Macht in Europaorientiert. Die deutsche Romantik sei dann mit den Volksmärchen inJapan vermittelt worden.