Mansfelder Seen Mansfelder Seen: Toskana vor der Haustür
Halle/MZ. - Etwas Besonderes ist dieser Silvaner Kabinett Trocken vom Jahrgang 2002 sowieso - ein Jubiläumswein. Extra für diesen Anlass in zierliche Halbliter-Flaschen abgefüllt: 1 030 Jahre Weinbau in der Region rund um die Mansfelder Seen.
"Jawohl, das stimmt", bestätigt René Schwalbe. Wenn auch vor fünf Jahren erst die Saale-Unstrut-Winzer ihr Tausendjähriges gefeiert haben - hier in der Gegend rund um Süßen, Kerner- und Bindersee reiften tatsächlich die Trauben schon ein paar Jahre eher an den Hängen. Was eine kaiserliche Urkunde von 973 unschlagbar beweist. Eine prima Gelegenheit für die hiesigen Weinbauern, endlich einmal ihre Trauben etwas höher zu hängen gegenüber den bekannteren Kollegen aus Freyburg und Umgebung. So haben sie denn gleich noch eine eigene Weinstraße ins Leben gerufen. Entlang der Saalkreisgemeinden Höhnstedt, Zappendorf und Langenbogen sowie den zum Mansfelder Land zählenden Orten Seeburg, Aseleben, Lüttchendorf und Unterrißdorf.
"Bisher war das ja mehr ein Geheimtipp", lächelt der unkonventionelle Weinbauer mit dem sorgfältig zurückgebundenen Langhaar, "unsere Toskana des Ostens". Und wenn man so von der urigen Bank vor Schwalbes Weinkeller durchs frische Bauerngartengrün auf den Bindersee schaut, könnten die Pappeln im Gegenlicht doch tatsächlich glatt als Zypressen durchgehen. Das Ganze bei Sonnenuntergang . . .
So ein Spaziergang durch die Weinberge mit diesem oder jenem Probeschluck, das lockte und lockt an sommerlichen Wochenenden bislang vor allem die Leute aus den nahen Städten Halle und Eisleben. Kaum zu glauben, dass so viel Naturromantik quasi vor der Haustür liegt. Mit seinem Weingut Rollsdorfer Mühle liegt René Schwalbe mitten drin in dieser reizvollen Landschaft mit ihren steilen Hängen, den typischen in den Berg eingelassenen Winzerhäuschen, den verschwiegenen Tälern.
Schon der Ort Rollsdorf erscheint wie Idylle pur. Nur, dass der Dorfplatz so akkurat grau gepflastert ist (Oh Dorferneuerungsprogramm!). Ansonsten zwitschern Vögel, prunken Pfingstrosen und Schneeball in Gärten. Die Bushaltestelle verschwindet fast unter einer mächtigen Kastanie und einer nicht weniger imposanten Linde, die nur darauf zu warten scheint, ihre Duftorgien zu feiern. Ein paar Meter weiter links geht es zu René Schwalbes Weinkeller. Wenige Stufen führen in die Gewölbe. Auf der ersten Ebene stehen Tisch und Stühle nebst Theke für fröhliche Probierrunden bereit. Noch weiter runter geht es vorbei an einer historischen Presse zu den edelstahlschimmernden Tanks, in denen die köstlichen Tropfen reifen.
Das ehrwürdige Gemäuer hatte Neu-Winzer Schwalbe ganz überraschend entdeckt. Eigentlich hatte er nur eine kleine Presse gesucht. Oma Nachtweih, noch heute die freundliche Nachbarin des Schwalbeschen Anwesens, hatte eine. Und den Keller noch dazu, hinter Obststiegen verborgen, seit Weltkriegsjahren nicht mehr genutzt. Bingo! Das war genau der rechte Platz für den Sitz seines künftigen Weingutes. Mit vier Freunden hatte der jetzt 36-jährige studierte Landwirt 1995 einen verwilderten Weinberg gekauft und mühsam wieder aufgerebt. Da hatte er noch eine Wissenschaftlerstelle an der halleschen Uni, aber bereits bei Studenten-Praktika in den rheinhessischen Weinbau rein geschnuppert.
Von den potentiellen Bacchus-Jüngern ist nur er übrig geblieben. Als typischer Quereinsteiger wie die meisten Winzer der Gegend. Aus den 2 500 Stock auf anderthalb Hektar sind inzwischen fünf Flächen mit viereinhalb Hektar in der Höhnstedter Flur geworden. Und schon ein paar beachtliche Jahrgänge, die dem Weingut Rollsdorfer Mühle eine Empfehlung im Gault Millau einbrachten. Das sieht der Vater einer fünfjährigen Tochter, dessen Lebensgefährtin und Eltern bei der aufwendigen Rebenpflege mithelfen ("Ohne meine Familie wäre das gar nicht zu schaffen."), vor allem als "Anerkennung und Bestätigung, dass ich keller- und weinbaumäßig auf dem richtigen Weg bin."
Gute Aussichten auch, dass sich die zwanzig - bis dreißigtausend Euro Investition pro Hektar plus Tanks und Technik auch rentieren. "Wer hier in der Region Wein verkaufen will, schafft das nur über Qualität", bekräftigt René Schwalbe mit Blick auf den im Glas funkelnden Jubiläums-Silvaner. Bei 5 000 Litern Wein pro Hektar ist für ihn Schluss, auch wenn fast der doppelte Ertrag zulässig wäre. Sorgfältige Handlese, schonende Verarbeitung und Vergärung zusammen mit den in seinem Keller konstant niedrigen Temperaturen um zehn Grad sind die Geheimnisse. Und natürlich "das günstige Klimat dank der Buntsandstein-Verwitterungslinie mit einer Bodentemperatur, die relativ frühzeitig hoch ist, und Jahresmitteltemperaturen von 9,7 Grad", wie der bodenständig wirkende Typ mit den zupackenden Händen eben mal ins Wissenschaftler-Deutsch verfällt.
Tatsächlich heizen hier immerhin sonnige 1 430 Stunden pro Jahr den Trauben ein. Ganz toskanamäßig. An der Mosel kriegen sie dagegen nur 1 399 Stunden ab. Keine Rede also von "Höhnstedter Nordseite", wie immer mal spitzmündig von Weinpäpsten gespöttelt wurde. Nicht nur die Weine von der Rollsdorfer Mühle sind von Jahr zu Jahr ausverkauft. Zumeist an Leute, die mal eben in Schwalbes Keller reinschauen. Direktvermarktung. Was überhaupt der Tipp des Winzers ist: "Auf den Hof fahren, probieren, gar nicht mal erst aufs Etikett schauen - so findet man am besten den Wein, der einem schmeckt".
Und was ist solch ein leckerer Tropfen nach seinem ganz persönlichen Geschmack? "Trocken, aber nicht zu sehr. Alkohol, Restzucker, Säure und die mineralischen Bestandteile müssen eine Harmonie bilden", meint Schwalbe, der als Hobbykoch gerne mal Freunde kulinarisch verwöhnt. Vorzugsweise hier, in dieser Landschaft zum Träumen, für die der so praktisch wirkende Mann gleich noch einen weiteren Traum parat hat. Kleine feine Gourmet-Essen veranstalten, dazu die passenden Weine... Das wäre dann noch ein bisschen mehr Toskana-Gefühl vor der Haustür.