Leichtathletik Leichtathletik: Siegfried Herrmann feiert 70. Geburtstag

Erfurt/dpa. - Die erhoffte Sternstunde endete mit einer Katastrophe. Es ist schon über 46 Jahre her, aber an den Tiefpunkt seiner Karriere erinnert sich Siegfried Herrmann noch genau: Im olympischen Vorlauf von Melbourne rangeln die 1500-m-Läufer um die beste Ausgangsposition für die letzte Runde, der Australier John Landy berührt den Deutschen. «Beim nächsten Auftreten ist meine Achillessehne gerissen», erzählt Herrmann, der Donnerstag seinen 70. Geburtstag feiert. In den 50er Jahren bedeutete dies eigentlich das Aus für den Leistungssport. Nicht so bei Siegfried Herrmann, der neun Jahre später in Erfurt den Weltrekord über 3000 m auf 7:46,00 Minuten verbesserte.
Der Thüringer aus Unterschönau kam erst mit 18 Jahren zur Leichtathletik. Vorher startete er als Skilangläufer und wurde 1950 DDR-Meister bei den Junioren. «Ich habe dann mit dem Laufen begonnen, weil es billiger war», erzählt Herrmann. Der Sohn eines Landwirts profitierte von der Kondition, die er sich beim Langlauf und durch die Arbeit auf dem Bauernhof geholt hatte. «Wir mussten zu Hause immer mit anpacken. Da habe ich gelernt, mich durchzubeißen». Anfangs fehlten jedoch noch die taktischen Kenntnisse. «Ich bin immer volle Pulle losgelaufen.»
Schnell etablierte er sich in der DDR-Spitze. 1952 wurde er in Jena DDR-Meister über 1500 m. Ein Jahr später holte ihn Trainer Ewald Mertens nach Halle. 1956 verfehlte er den Weltrekord über seine Spezialstrecke nur knapp und fuhr als Topfavorit zu den Olympischen Spielen nach Melbourne.
Herrmann hatte schon im Vorfeld immer wieder Probleme mit der Achillessehne. «Wir dachten, das ist eine Verletzung wie jede andere», erinnert er sich mit Schmerzen. Im Vorlauf schließlich platzen alle Träume. Er muss im Krankenhaus mit ansehen, wie andere die Medaillen holen. Der Arzt sagt ihm, er könne nie wieder Wettkämpfe bestreiten.
Doch schon ein Jahr später läuft Herrmann wieder Rennen, wird EM- Sechster. Seinen olympischen Traum kann er jedoch nicht mehr verwirklichen. 1960 verpasst er durch eine Hautkrankheit geschwächt die Qualifikation, 1964 wird er über 10 000 m Elfter. Die Spiele in Tokio werden nicht nur sportlich zum Fiasko: Die Teamleitung wirft ihm vor, eine Flucht in den Westen geplant zu haben. «Ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht. Ich hatte doch meine Frau und die beiden Kinder zu Hause.» Dennoch wird er für ein Jahr international gesperrt.
Die Strafe erweist sich als Glücksfall. Herrmann läuft statt mehr als 40 Rennen nur noch 20 im Jahr. «Außerdem hat mich die Sperre angestachelt», sagt er. Mit 33 Jahren stellt er vier persönliche Bestzeiten auf. Höhepunkt ist der Weltrekord von Erfurt über 3000 m am 5. August 1965. «Wir haben die Bahn selbst geharkt und vorher richtig auf Weltrekord getrimmt.»
Danach lässt Herrmann seine Karriere ausklingen und wird Geher-Trainer. 1980 holt sein Schützling Hartwig Gauder in Moskau Olympia-Gold über 50 km. «Was ich nicht geschafft habe, hat er nachgeholt», sagt Herrmann stolz. Vor kurzem ist er zum Ehrenmitglied des neu gegründeten Laufclubs Creaton Erfurt ernannt worden. Seitdem gibt er im Verein von Olympiasieger Nils Schumann seine Kenntnisse weiter. Zu seiner Geburtstagsfeier am Donnerstag erwartet der Hobbyfotograf viele alten Freunde. «Wir sind damals gut ausgekommen. Es ging eben nicht nur ums Geld so wie heute.»