Leichtathletik Leichtathletik: «Sehne» Norpoth wird 60

Hamburg/dpa. - Am Donnerstag (22. August) wird «Sehne», wie der großartigeMittel- und Langstreckenläufer seines asketischen Aussehens wegengerufen wurde, 60 Jahre alt. Gefeiert wird mit den Freunden undBekannten, «mit denen ich mein weiteres Leben gestalten will». Ausder Aktivenzeit ist niemand dabei. Norpoths Lebensmittelpunkt ist vonKindesbeinen an das westfälische Telgte, nur wenige Kilometer vonMünster entfernt. Die Stadt hat seinen Lebensweg geprägt, dort lebter zurückgezogen: «Ich habe mit Promitum nichts zu tun.»
Spuren hinterlassen hat Norpoth in der deutschen Leichtathletik.Sein deutscher Rekord über 5000 m von 13:20,49 Minuten, gelaufen am12. Juli 1973 beim USA-Länderkampf in München, hätte ihm im Vorjahrnoch Platz eins der deutschen Rangliste eingebracht, in diesem Jahrwar nur Dieter Baumann schneller. 37 deutsche Meistertitel - dererste 1960 als Jugendlicher über 3000 m, der letzte 1973 über 5000 m- stehen im Rekordbuch des Westfalen. Drei Mal hintereinander (1965,1967, 1970) siegte Norpoth beim Europacup über 5000 m. Als 22-Jähriger gewann er in Tokio 1964 olympisches Silber über diezwölfeinhalb Stadionrunden.
Der ganz große Sieg blieb Norpoth versagt, ihm fehlte dieSpurtkraft. Seine Stärke waren taktisches Denken und Laufen und derlang gezogene «Steigerungslauf» über die letzten 500, 600 Meter.«Wenn ich einen besseren Spurt gehabt hätte, wäre auch mehr über 1500Meter drin gewesen.» Mit seiner Karriere ist er dennoch zufrieden.«Ich bin nie verletzt gewesen, habe 365 Tage im Jahr trainiert undwar über einen langen Zeitraum erfolgreich.» Zeiten waren immernebensächlich: «Für mich zählten die Platzierungen mehr. Und da habeich immer alle Wettkämpfe und alle Konkurrenten ernst genommen.» Dieheutigen Rekordrennen mit «Hasen» wären nicht sein Ding gewesen: «Dasfinde ich nicht schön. Positionskämpfe sind doch viel interessanter.»
Beinahe wäre Norpoth, seit mehr als 30 Jahren Sportlehrer an derBundeswehrsportschule in Warendorf, nicht auf der Laufbahn gelandet.«Wäre ich nicht plötzlich so gut geworden, wäre es sehr schwergewesen, mich vom Fußball abzubringen.» Obwohl er mit 18 Jahren dasFußball-Training aufgegeben hatte, spielte er noch regelmäßig fürseinen Verein in Telgte bis in der Landesliga. Selbst Sepp Herbergerbescheinigte ihm großes Talent. Oft streifte sich Norpoth nach Rennenam Sonntagvormittag nachmittags noch das Fußball-Trikot über. Heutekann er nur noch Radfahren, Touren zwischen 50 und 80 Kilometer.Laufen und Fußball sind nicht mehr drin: «Die Knie sind kaputt.»
Verwundert ist Norpoth, dass das Gros seiner deutschen Nachfolgerkeine größeren Fortschritte gemacht hat. «Die laufen heute um die 14Minuten. Das wäre ich besoffen und nachts jederzeit gelaufen.» Dassheute für einen wie ihn viel Geld zu verdienen wäre, berührt deneinstigen Europarekordler nicht allzu sehr. «Für mich wäre wenigerdas Finanzielle, sondern vielmehr sehr interessant gewesen, eineKarriere als Vollprofi durchzuziehen.» Schon mit 31 Jahren zog er dieSpikes endgültig aus: «Ich bin besonders stolz darauf, dass ich frühgenug aufgehört habe - ehe ich hinterher gelaufen wäre.»