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Leichtathletik-Geschichte Leichtathletik-Geschichte: Der Flop, der ein Hit wurde

Von Hans-Hermann Mädler 06.03.2007, 15:43

Hamburg/dpa. - Hamburg ­ Dieser Flop wurde zum Hit. Am 6. März wird der Erfinder des «Fosbury-Flops», Richard Douglas Fosbury, 60 Jahre alt.

Als «Dick» Fosbury am 20. Oktober 1968 in Mexiko-Stadt erstmals vor einer staunenden und faszinierten Fernseh-Weltöffentlichkeit rücklings 2,24 Meter überquerte und damit olympisches Gold im Hochsprung gewann, löste der damals 21-jährige Amerikaner die wohl größte technische Revolution in der Leichtathletik-Geschichte aus. Während die meisten Trainer im Olympiastadion die Flüge Fosburys noch mit einem ungläubigen Kopfschütteln registrierten, begleiteten die 80 000 Zuschauer jeden seiner Sprünge mit einem begeisterten und bewundernden «Olé».

Fosbury, am 6. März 1947 in Portland (US-Bundesstaat Oregon) geboren, kam wie viele große US-Sportler über die Highschool zur Leichtathletik. Wegen seiner Größe von 1,93 Metern schien er wie für den Hochsprung geschaffen. «Doch ich war ein unkoordinierter Möchtegern-Athlet», erzählte er später, der weder mit dem Scherensprung noch mit dem «Bauchwälzer» (Straddle) technisch klar kam. Deshalb experimentierte er mit anderen Techniken, ehe er die für ihn ideale fand: Schneller Anlauf in einem Bogen, Rumpfdrehung bei den letzten Schritten und Lattenüberquerung rücklings. Fosbury behauptet übrigens, dass der Anlauf in einer Kurve dadurch entstanden sei, dass ihm beim Training im heimischen Garten ein Baum den geraden Weg zur Latte versperrte.

Selbst als er im olympischen Wettkampf nur knapp daran gescheitert war, den Weltrekord des russischen Straddle-Springers Waleri Brumel (2,28 Meter) um einen Zentimeter zu überbieten, warnte der Coach des amerikanischen Olympia-Teams, Payton Jordan, weiter vor der neuen Technik: «Wenn Kinder versuchen, Fosbury zu imitieren, wird er eine ganze Generation von Hochspringern auslöschen, weil sie sich alle das Genick brechen werden.» Auch Ärzte vertraten die Auffassung, dass der Flop das Leben von Kindern gefährde. Darüber konnte und kann Fosbury nur lachen: Ihm ist auf der ganzen Welt kein Fall eines schweren Unfalls bekannt, weil «man nicht auf dem Genick, sondern auf der Schulter landet».

Payton hatte allerdings insofern Recht, als sich die Fosbury-Technik erst nach rund 10 Jahren weltweit endgültig durchgesetzt hatte. Das war dann die Generation, so Fosbury, «die das im Fernsehen gesehen hatte und sich sagte, das sieht nach Spaß aus, lass es mich machen». Dennoch trug sich bereits 1972 Ulrike Meyfarth als erste Flop-Weltrekordlerin in die Rekordlisten ein. Bei ihrem Olympiasieg in München egalisierte sie mit 1,92 Metern die Höchstmarke der österreichischen Straddle-Springerin Ilona Gusenbauer. Ein Jahr später zog bei den Männern der Amerikaner Dwight Stones (2,30 Meter) nach. Heute stehen die (Flop)Weltrekorde des Kubaners Javier Sotomayor (seit 1993) und der Bulgarin Stefka Kostadinowa (1987) bei 2,45 bzw. 2,09 Metern. Die Sprungtechnik des Amerikaners löste auch die Blütezeit der deutschen Hochspringer aus. Neben Ulrike Meyfarth (1972/1984) wurden auch Dietmar Mögenburg (1984) und Heike Henkel (1992) Olympiasieger, Carlo Thränhardt stellte 1988 mit 2,42 Metern den Weltrekord ein.

Fosbury selbst griff diesen Rekord nicht mehr an. Er beendete schon ein Jahr nach Mexiko seine Karriere, weil er mit dem Olympiasieg seine sportlichen Ziele erreicht hatte. Außerdem wollte er «nicht länger aus dem Koffer leben» und schlug deshalb auch lukrative Angebote und Werbeverträge aus, seine Flugshow als Profi fortzusetzen. Schon während seiner aktiven Zeit hatte er sein Ingenieurstudium zielstrebig vorangetrieben und schließlich als Vermessungsingenieur abgeschlossen. Heute arbeitet er als Geschäftsführer eines Vermessungsbüros für Straßenbau in Ketchum (US- Bundesstaat Idaho). Der Leichtathletik ist er dennoch verbunden geblieben: Bei regelmäßigen Trainingslagern für Kinder versucht er, deren Fitness zu verbessern. Im Mittelpunkt aber steht Fosbury nur noch selten: «Wenn ich heute im Supermarkt einkaufe, dreht sich keiner mehr nach mir um.»

An einen Namen für seine Kreation hatte Fosbury zunächst nicht gedacht. Erst als er von einem Reporter danach gefragt wurde, erinnerte er sich an die Überschrift in einer kleinen Zeitung: «Fosbury flops over the bar» (Fosbury plumpst über die Latte). Da gab er zu Protokoll: «Der Sprung heißt Fosbury-Flop.» (dpa)