Leichenfund bei Morl (MZ vom 11.01.1999 Leichenfund bei Morl (MZ vom 11.01.1999): Totes Mädchen in Plastiksack neben Kaolingrube versteckt (MZ vom 11.01.1999)
Halle (Saale)/Morl/MZ. - (MZ-Beitrag vom 11.01.1999:) Für Dieter Haschke und seine Waidkameraden hatte es eigentlich ein so spannender wie unterhaltsamer Samstag nachmittag werden sollen. Gegen 16 Uhr war die sechsköpfige Gruppe um den 60 Jahre alten passionierten Jäger und Chef der Freiwilligen Feuerwehr von Morl in Richtung Brachwitz aufgebrochen - zur Entenpirsch. Doch das Ziel, ein zwischen den beiden Saalkreisorten gelegener Teich, sollte diesmal unerreichbar bleiben. Bereits einen Kilometer vor dem angesteuerten Jagdrevier wurde das Fahrzeug des Sextetts durch einen Polizeiposten gestoppt. "Hier geht es leider nicht weiter", teilte ein uniformierter Beamter den Männern mit. Der Grund: Eine Leiche sei entdeckt worden. "Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Für Haschke - der in Morl jeden und den in Morl jeder kennt - war es jedoch ein leichtes, rasch mehr in Erfahrung zu bringen. Und so wußte der Entenjäger bald, was die Spurenjäger von der Kripo in sein Revier geführt hatte: Ein 22jähriger Morler, der mit seiner Dogge am Rande einer stillgelegten Kaolingrube unterwegs gewesen war, hatte den grausigen Fund gemacht. Zunächst war der Hund unruhig geworden, dann hatte er an einem erst im vergangenen Herbst aufgeschütteten Erdwall zu wühlen begonnen. Was das Tier zum Vorschein brachte, machte seinen Besitzer neugierig. Mit dem Fuß stocherte der junge Mann an dem grünen Plastiksack herum. Erst als er erkannte, daß sich unter dem Kunststoff die Leiche eines jungen Mädchens verbarg, fuhr dem 22jährigen der Schock in die Glieder. Als er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, machte sich der Morler umgehend auf den Heimweg, um die Polizei zu informieren.
Wenig später wimmelte es an dem sonst nur von einsamen Wanderern, Jägern oder Liebespaaren aufgesuchten Ort von Beamten in Zivil und in Uniform. Während die Kripoleute noch mit der Bergung der bereits stark verwesten Leiche beschäftigt waren, begannen in Morl bereits die ersten Mutmaßungen die Runde zu machen. Könnte die Tote möglicherweise die seit Ostersonntag 1998 vermißte Mandy Schmidt sein?
Was die Leute nicht wissen konnten: Auch bei den Kripo-Beamten galt diese Spur zunächst als zumindest warm. Das scheinbare Alter der gefundenen Toten - zehn bis zwölf Jahre -, das dunkelblonde, fast braune Haar, sowie die Körpergröße von 1,50 Meter stimmten in seltener Zufälligkeit mit den Merkmalen der verschwundenen Hallenserin überein. Doch nach Abschluß der Obduktion der Leiche und dem Vergleich mit den zahnärztlichen Befunden der Vermißten stand schon am späten Samstag abend fest, daß es sich bei der Toten laut Polizeisprecher Ralf Karlstedt "definitiv nicht um die gesuchte Mandy Schmidt" handelt.
Bis zu diesem Ergebnis hatte die Polizei gewartet, bevor sie kurz vor Mitternacht mit der Nachricht über den Leichenfund an die Öffentlichkeit ging. Schon als die ersten Meldungen aus Morl über Rundfunk und Fernsehen in ganz Deutschland verbreitet wurden, begannen bei der halleschen Kripo die Telefone und Faxgeräte heißzulaufen. Etliche besorgte Eltern sowie zahlreiche Kripobeamte von Dienststellen aus allen Bundesländern gaben Personenbeschreibungen vermißter Mädchen an die Polizei der Saalestadt durch. Gestern schließlich kristallisierte sich eine Berliner Spur aus der Flut der eingehenden Informationen heraus. Auf die seit dem 28. Oktober 1998 verschwundene elfjährige Jessica Kopsch aus Reinickendorf paßte die Beschreibung der Leiche so genau, daß sich Mitarbeiter der Berliner Mordkommission noch am Mittag auf den Weg nach Halle machten.
Während die Klärung der Identität des Opfers kurz vor dem Abschluß zu stehen scheint, ist die Frage nach dem Täter und den Tatumständen weiter offen. Als unstrittig gilt mittlerweile, daß das Mädchen erst nach ihrem Tod an den Rand der Morler Kaolin~grube gebracht worden war und dort seit etwa acht Wochen gelegen hatte. Über die Todesursache schweigt sich die Kripo aber vorerst genauso aus wie über eventuelle Spuren zum Mörder.