Jugendweihe verliert an Bedeutung
Dresden/dpa. - Ein Ritual verliert in Sachsen knapp 20 Jahre nach dem Ende der DDR an Bedeutung. Immer weniger Teenager feiern Jugendweihe, gleichzeitig wächst das Interesse an der evangelischen Konfirmation.
In diesem Jahr werden nur noch knapp 39 Prozent der Achtklässler an einer Jugendweihe teilnehmen - vor sechs Jahren waren es noch über 60 Prozent. Zugleich verzeichnet die Evangelische Landeskirche Sachsen in ihren Gemeinden ein zunehmendes Interesse am Konfirmandenunterricht: Ließen sich 2002 nur knapp 14 Prozent eines Jahrgangs konfirmieren, werden es in diesem Jahr 20 Prozent sein. In absoluten Zahlen haben jedoch beide Veranstaltungen verloren - Grund sind die geburtenschwachen Nachwendejahrgänge.
«Die feierliche Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen, die die Jugendweihe darstellt, stimmt für viele 14-Jährige nicht mehr mit ihrer Lebenswirklichkeit überein», beschreibt der Berliner Wissenschaftler Albrecht Döhnert dieses Phänomen. «In dem Alter ändert sich sehr wenig, denn das Ende der Schulzeit ist für die meisten Jugendlichen später.» Ein weiterer Grund für den Rückgang sei, dass Feiern zunehmend individueller gestaltet würden. «Ein offizieller Rahmen wird oft nicht mehr benötigt.»
Brigitte Wünsche vom Sächsischen Verband für Jugendarbeit und Jugendweihe vermutet, dass in vielen Familien kaum noch über die Veranstaltung gesprochen werde. «Die Eltern müssten stärker auf die Jugendlichen einwirken», fordert sie. Von allein würden die nicht kommen. Insgesamt 9 100 Jugendliche haben 2008 die Jugendweihe gebucht, 1000 weniger als in Vorjahr. «Wir hätten mit mehr gerechnet», gibt Wünsche zu. «Der Rückgang der Teilnehmerzahlen hat vor allem finanzielle Gründe», glaubt der amtierende Geschäftsführer des Verbandes, Matthias Hartmann. «Viele Familien können sich den Beitrag von 100 Euro nicht leisten.»
Die Kirche hingegen sei deutlich offener und entspannter geworden, sagt der Braunschweiger Soziologe Andreas Feige. Deshalb würde die Konfirmation beliebter. «Sie ist heute nicht mehr Verpflichtung zu einem Bekenntnis», sagt der Wissenschaftler. Die Kirche verschrecke die Jugendlichen nicht mehr mit starren Dogmen, sondern spreche offen über Themen, die über den täglichen Horizont hinausreichen wie Liebe, Lebensgestaltung und Gerechtigkeit. Sie gäbe den Jugendlichen die Möglichkeit, ein sehr viel entspannteres Verhältnis zur Religion aufzubauen als dies früher der Fall gewesen sei.
«Die Pfarrer versuchen im Konfirmandenunterricht, stärker auf die Fragen und Probleme der Jugendlichen einzugehen statt sie die Lehren aus dem Katechismus auswendig lernen zu lassen», sagt der Sprecher der Landeskirche, Matthias Oelke. Auch die Vorbereitungskurse zur Jugendweihe gehen stärker als zu DDR-Zeiten auf die Teenager und ihre Interessen ein. Statt politischer Schulung stehen gesellschaftliche Themen im Mittelpunkt. Wie bei der Kirche werden gemeinsame Fahrten organisiert. Zudem gibt es Hilfe bei der Berufswahl und Benimm-Kurse. «Wir wollen gewisse Bildungsinhalte vermitteln, aber der Spaß soll auch eine Rolle spielen», so Jugendweihe-Vereins-Geschäftsführer Hartmann.