Judo Judo: Ratzfatz vorbei für Malzahn
London/Halle (Saale)/MZ. - Ein Düsenjet donnert gerade über das Exhibition Centre in London, als Claudia Malzahn schnell mal vor die Eingangstür der Halle huschte. Ein kurzes Telefonat mit der Heimat, ein kurzes Fazit ihres olympischen Debüts, das die Judoka aus Halle zuvor absolviert hatte. Und es konnte kaum überraschen, dass Claudia Malzahn ziemlich mitgenommen wirkte. Physisch und auch psychisch.
Es war vielleicht die schwerste Stunde in ihrer langen Leistungssportkarriere, die sie am Dienstag erleben musste. Nach zwei Minuten und acht Sekunden war der Traum von einer Olympia-Medaillen bereits beendet. In der ersten Runde. Urska Zolnir war zu stark. Dass die Slowenin sich am Ende als Gesamtbeste im Limit bis 63 Kilogramm erwies und den Olympiasieg sicherte, war ihr in diesem Augenblick überhaupt kein Trost. "Das frühe Aus ist bitter", sagte Claudia Malzahn also - mit einer Lautstärke, die nicht nur wegen des ohrenbetäubenden Flugzeuglärms kaum zu vernehmen war. "Das muss ich erst mal alles sacken lassen."
Viele Jahre hatte sie von diesem Moment geträumt, vom dem Moment, endlich bei Olympia auf der Matte stehen zu dürfen. Vor acht Jahren hatte sie die Nominierung ganz knapp verpasst und war als Ersatzfrau für Athen nominiert. Sie kam nicht zum Einsatz. Doch sie kämpfte weiter, nahm erneut einen Anlauf - um vier Jahre später ein Déjà-vu zu erleben. Wieder blieb ihr nur die Rolle als Reservistin, und wieder steckte sie nicht auf.
Jetzt also London, das große Abenteuer. Dafür hatte Claudia Malzahn viel auf sich genommen. Immer wieder Weltrangisten-Turniere in aller Herren Länder, unzählige Trainingslager, dazu das intensive Training zu Hause. Ein immenser Aufwand. Und dann das.
Natürlich wusste die 28-Jährige um die Stärke ihrer Konkurrentin. Urska Zolnir ist eine Dauerrivalin. "Wir haben schon sehr oft gegeneinander gekämpft, mal hat sie gewonnen, dann wieder ich", erklärte Claudia Malzahn. Am Dienstag setzte die Slowenin nach einer Wurftechnik ihre gar nicht so geheime Geheimwaffe an, den Armhebel. Für Claudia Malzahn war das der Anfang vom Turnierende. Dabei kennt die frühere WM-Dritte ihre Gegnerin aus dem Effeff.
Unschlagbar war sie nicht, ihre Bezwingerin. "Sie hat die Situation einfach gut ausgenutzt", sagte die Hallenserin. Es gehört dazu, die Stärke der Gegnerin anzuerkennen. Zolnir war eindeutig besser.
Zurückziehen ins olympische Dorf
Bis die bittere Niederlage aufgearbeitet ist, wird es wohl eine ganze Weile dauern. Um gegen die maßlose Enttäuschung anzukämpfen und nicht in Selbstmitleid zu versinken, soll erst einmal Ablenkung als eine bewährte Methode herhalten. Also kehrte Claudia Malzahn sofort zurück auf die Athletentribüne und sah zu, wie ihr Teamkollege Ole Bischof jenen Medaillentraum verwirklichte, der ihr verwehrt blieb.
Und jetzt? Wie geht's weiter? "Heute passiert nicht mehr viel", sagte Claudia Malzahn. Zurückziehen in das olympische Dorf und sich ein wenig von der Anspannung der letzten Tage erholen, vielleicht noch ein Schwatz mit Mutter Christine, Vater Klaus-Dieter und Schwester Luise, die alle im Exhibition Centre mitgefiebert und dann mitgelitten hatten. Am Mittwoch will die Hallenserin Kerstin Thiele beistehen. Mit der Leipzigerin teilt sie sich in London ein Zimmer. Vielleicht kann sie ja in den nächsten Tagen dann wenigstens ein bisschen wieder das olympische Flair geniesen und sich den einen oder anderen Wettbewerb in einer Sportart ansehen, für die ihr Herz ebenfalls schlägt. Turnen und Rhythmische Sportgymnastik stehen da ganz oben in der Gunst.
Noch ein olympischer Zyklus?
Ob sie ihre Karriere fortsetzen wird, weiß die diplomierte Trainerin und Sportmanagerin noch nicht. Eine solche Entscheidung trifft man nicht nach einer so schmerzlichen Niederlage. "Wenn ich zu Hause bin, werde ich meine Gedanken sortieren", sagte Mal-zahn. Doch sie macht keinen Hehl daraus, dass 2016 und Rio ihr im Augenblick sehr weit weg erscheinen. Und ob nun mit oder ohne Hochleistungssport: "Das Leben geht weiter", sagt Claudia Mal-zahn. Auch wenn das ziemlich abgedroschen klingt, für sie ist nach dieser Niederlage der Satz gerade ein Stück Lebenshilfe.