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Jubiläum Jubiläum: DDR-Sportler «Täve» Schur wird 80

21.02.2011, 16:22
DDR-Radsportlegende Gustav-Adolf «Täve» Schur besucht am 23.04.2010 zum 125-jährigen Jubiläum der Marke Diamant den Betrieb des ältesten deutschen Fahrradherstellers in Hartmannsdorf bei Chemnitz. (FOTO: DPA)
DDR-Radsportlegende Gustav-Adolf «Täve» Schur besucht am 23.04.2010 zum 125-jährigen Jubiläum der Marke Diamant den Betrieb des ältesten deutschen Fahrradherstellers in Hartmannsdorf bei Chemnitz. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Immer noch rastloser Klassenkämpfer mit großer Fangemeinde: In «Täve»Schur feiert der wohl populärste Sportler aus DDR-Zeiten am Mittwochseinen 80. Geburtstag. Politisch ist der ehemaligeVolkskammer-Abgeordnete fest in seinen Wurzeln verankert.

Vier Kinder, sieben Enkel und an schönen Tagennoch bis zu 70 Kilometer auf der Rennmaschine aus Carbon: GustavAdolf «Täve» Schur, der populärste Sportler vergangener DDR-Zeiten,feiert am Mittwoch seinen 80. Geburtstag als zufriedener Rentner.Manchmal, wenn die Enkelkinder da sind, fährt er eine Biege mitseinem blauen Trabi mit der Friedenstaube auf dem Kühler.

Die nächsten 20 Jahre hat Schur, immer noch rank und schlank, festumrissen: «Wir 'Ossis' können 100 Jahre alt werden und wir müssenauch 100 Jahre alt werden». Gefeiert wird am Samstag inKleinmühlingen - «Tusch für Täve» steht auf der Einladung, die dieUnterschrift des Bundestagsfraktionsvorsitzenden Gregor Gysi trägt.

Politisch ist sich der ehemalige Volkskammerabgeordnete Schur treugeblieben. Der Amateur-Weltmeister von 1958 und 1959, zweifacherSieger der Friedensfahrt und nach der Wende für die PDS auch vierJahre im Bundestag, sitzt als Vertreter der Partei «Die Linke» imGemeinderat seines Geburtsortes Heyrothsberge in Sachsen-Anhalt. «DieGesellschaft war richtig - nur nicht stark genug», lautet seinRückblick auf die DDR in Kurzform. Der immer noch rastloseKlassenkämpfer preist das «Solidarische und das Miteinander»vergangener Zeiten. «Heute regiert Geld die Welt. Jeder macht seins».

Eine knappe Woche vor seinem Ehrentag präsentierte Schur in Berlinseine zweite Autobiografie. Vor über 200 Gästen im Haus derTageszeitung «Neues Deutschland» (ND) las er aus seinen Erinnerungen,nachdem er durch das Spalier seiner ergrauten Fans auf dem Rad zurBühne gefahren war. Der beinharte SED-Ideologe aus alten Zeiten, derfrühere ND-Sportchef Klaus Ullrich Huhn, brachte sie wieder zuPapier. Das Wort «Ghostwriter» vermeidet Schur, er nennt den altenParteigenossen in seinem Buch «Mechaniker fürs Memoirenrad».

«Täve - die Autobiografie» ist eine überarbeitete und erweiterteFassung der ersten Biografie von 2001, die nach Verlagsangaben 10 000Mal verkauft wurde. Den Gästen der Lesung am Franz-Mehring-Platz wareine Broschüre «Zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht»in die Hand gedrückt worden.

Schur, der erst recht zum gefeierten Superstar wurde, als er 1960seinem Teamkollegen Bernhard Eckstein auf dem Sachsenring denWeltmeistertitel überließ, interessiert sich auch heute noch für denRadsport der Elite. Allerdings quittiert er ihn eher mitKopfschütteln, genau wie er nie verstand, warum sein Sohn Jan nachder Wende Profi in Gianni Bugnos Team in Italien wurde. «Es gibtDinge, die gibt es gar nicht - ich wundere mich nur», kommentierte erdie aktuellen Doping-Affären um Alberto Contador und Riccardo Ricco.In fast rührender Naivität hat er auch dafür eine politischeErklärung parat: «Die Gesellschaft erzieht ihre Sportler.»

Das Doping-Problem in der DDR sei laut Schur von den (westlichen)Medien «hochgespielt» worden. Eigene Verfehlungen hätte es laut Schurin dieser Richtung «meines Wissens» nicht gegeben. In seinem Buchschreibt er von «Ärzten, die mein Training steuerten». In einemRennen in Italien im Anschluss an seinen WM-Triumph 1958 hätte er auseiner Flasche eines italienischen Konkurrenten getrunken und sei inder schweren Prüfung vierter geworden, «obwohl ich völlig platt» war.«Wer weiß», sagte Schur, «vielleicht war da was drin».