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Italien Italien: Schnörkellose Köstlichkeiten

Von Karin Lamsfuss 13.10.2005, 15:30

Halle/MZ. - Er teilt die Schätze an diesem Abend mit den Gästen, die in seinem ehemaligen Bauernhaus einige Tage Urlaub machen. Sante und seine Frau Mariagrazia haben sich mit dem Gemäuer aus dem 17. Jahrhundert samt Wiesen, Feldern, Wäldern und Weinbergen einen Lebenstraum erfüllt. Die Gästeapartments haben dicke Holzbalken und handgefertigte Bodenkacheln, jedes mit eigenem Kamin und schmiedeeisernen Betten.

Doch sozusagen das Herz des "Agriturismo del Tione" ist der ehemalige Viehstall. Dort schwingt Mariagrazie abends ein gigantisches Nudelholz auf dem Tisch. Mit feinsten Fettuccine werden sich die Steinpilze vom Morgen bald vereinen. Nur in Olivenöl geschwenkt, mit einem Schuss Weißwein, ein paar Blättchen Petersilie - hmmmm... Die mittelitalienische Region Umbrien steht für schnörkellose, bäuerlich geprägte Küche aus besten Rohstoffen: Steinpilze, Trüffeln oder wilder grüner Spargel. Die touristisch nur mäßig erschlossene Gegend liegt nördlich von Rom und südlich der Toskana. Kunststädte wie Orvieto, Spoleto oder Assisi sind noch relativ bekannt, doch in die ländlichen Regionen verirren sich wenige. Dorthin, wo eine harmonische Landschaft mit amphitheatergleichen Hochebenen das Auge beruhigt und mittelalterliche Städte hoch auf mächtigen Hügeln thronen.

Die kulinarischen Gelage spielen sich hier weniger in Restaurants ab, sondern in einladenden Bauernküchen, in Fischerhütten, in umgebauten Scheunen. Fischer, Hausfrauen, Bauern lüften auf Wunsch gerne ihre Topfdeckel für hungrige Gäste. Nächster Ortstermin: der Hof von Liliana. Die dralle Bauersfrau erstaunt ihre Gäste mit einem sonderbaren Zupfinstrument, über das sie hauchdünn ausgerollten Pastateig legt und mit dem Nudelholz durch die Saiten drückt. Heraus kommen zarte "Spaghetti alla Chittarra" - Gitarren-Spaghetti. Doch die eigentliche Offenbarung dieses Mahls kommt glänzend cremefarben in einem Weidenkörbchen: Ricotta aus Schafsmilch. In dieser Gegend ein traditionelles Produkt, das nichts gemein hat mit dem gleichnamigen Etwas aus dem Supermarktregal.

Nächster Termin: Einladung bei Fischer Paolo. Eine Hütte am idyllischen Ufer des Bolsenasees, der genau genommen schon in der benachbarten Region Latium liegt. Paolo serviert seine Spezialität: La sbroscia, ein Fischeintopf. Paolo rezitiert Liebesgedichte und schwenkt wie nebenbei die riesige Kupferpfanne. Füllt sie mit Olivenöl, Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, wilder Minze, einigen Kartoffeln und natürlich Fisch: Hecht, Barsch, je nach dem, was der See gerade hergegeben hat. Dazu ein paar Weißbrotscheiben - schlicht, unübertroffen frisch und einfach gut.

Wem der Sinn nach Feinerem steht, der kann bei Lorenzo Polegri in Orvieto einkehren. Sein Restaurant "Zeppelin" hat sich auf Trüffelgerichte spezialisiert - als Pürree, Käse oder sogar Konfekt. Doch nichts geht über die schlichteste Variante: frische Trüffeln, fein gehobelt über hausgemachte, in Olivenöl geschwenkte Bandnudeln!

In Canepina feiert man, wie im Oktober vielfach in der Gegend, das Kastanienfest. Auf dem Dorfplatz verströmen geröstete Maronen ihr Aroma, in den Kellern fließt der Wein. Gutsbesitzer di Sorte hat den herbstlichen Tisch gedeckt. Die zehn Meter lange Holztafel trägt Schalen voller Trauben, Feigen, goldfarbene Getreideähren und braunglänzende Kastanien. Die röstet Sante über dem Kaminfeuer und serviert sie zu schwerem Rotwein. Dazu noch ein letzter Blick über die grünen Hügel dieser Landschaft, die all diese Köstlichkeiten hervor gebracht hat - Kraft tanken für lange trübe Winterabende.

Infos: Agenzia Ombrellone, Scharfenberger Straße 2, 13505 Berlin

Telefon 030 / 4367 1417