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Italien Italien: Das Westufer des Gardasees

17.02.2004, 14:43
Türkisfarbenes Wasser und Bergmassive - die Landschaft am Gardasee ist mediterran und alpenländisch. (Foto: dpa)
Türkisfarbenes Wasser und Bergmassive - die Landschaft am Gardasee ist mediterran und alpenländisch. (Foto: dpa) Azienda di promozione turistica

Toscolano-Maderno/dpa. - Zur Rechten des Betrachters wachsen zerklüftete Felswände steilaus einem türkis bis dunkelgrünblau schimmernden Wasserbecken. Linkszieht sich eine wild bewachsene Berg- und Hügelkette am glattenWasserspiegel entlang. Auf der glänzenden Oberfläche des Sees wuseln- wie lässig ausgestreute Papierschnipsel - winzige dreieckigeSurfsegel. Von Sonnenstrahlen beschossen, blitzen sie immer wiederkurz auf. Der Horizont ist nur schemenhaft zu erkennen. Denn 17Kilometer liegen zwischen dem Aussichtsplateau und demgegenüberliegenden Ufer des Lago di Garda, des mit einer Fläche von370 Quadratkilometern größten Sees Italiens.

Seit Jahrhunderten zieht es Reisende aus nördlichen Gefildenhierher, die auf den Spuren des großen Italien-Verehrers Goethe dem«Land der Sonne» sehnsüchtig entgegenfiebern. Zahlreiche Literatenließen sich von der Schönheit der halb mediterranen, halbalpenländischen Landschaft verzaubern und verewigten dieseErinnerungen in ihren Werken und Briefen, darunter Heinrich undThomas Mann, Franz Kafka und Rainer Maria Rilke. Auch heute noch istder Gardasee für viele Europäer nördlich des Brenners der Inbegriffdes Südens.

Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein konnten die Reisenden vieleOrte nur über den See mit dem Schiff oder über verschlungeneBergpfade erreichen. Erst in den zwanziger Jahren begannen dieProvinzregierungen damit, eine Straße am Ufer entlang in denschroffen Fels zu hauen und aus dem Kalkstein herauszusprengen. DieStrecke am Ostufer, die Gardesana Orientale, wurde 1926fertiggestellt, die Gardesana Occidentale im Westen 1931.

Diese westliche Uferstraße, die auf der Höhe von Riva beginnt,kann als Meisterwerk der Ingenieurskunst bezeichnet werden. Und dieFahrt auf ihr ist - mit Ausnahme der Monate Juli und August, wenn dieAutos sich hier Stoßstange an Stoßstange quetschen - die besteEinstimmung auf den Urlaub. Über mehrere Kilometer zieht sich dieStrecke als schmales Band zwischen dem azurblauen See zur Linken undden senkrechten weißen Kalkfelsen zur Rechten durch eine unberührteNatur, die hinter jedem der insgesamt 74 Tunnel mit einem neuenEindruck überrascht. Die Luft, die in stetigem Wechsel warm oder kühldurch die geöffneten Autofenster hereinweht, schmeckt nach See,Cappuccino und Erholung.

Eine der ersten Abzweigungen auf der Gardesana Occidentale führtnach Limone, das in Reiseführern mit Beharrlichkeit als das schönsteFischerdorf am See gepriesen wird. Der Name des Ortes leitet sich vomlateinischen Wort für Grenze «limes» ab und nicht von den Zitronen,die hier - wie überall am Westufer - seit dem Spätmittelalterangebaut wurden und lange Zeit die Existenz der Dorfbewohnersicherten. Heute stehen in den Hängen nur noch alte, ummauerteHolzpfeiler, die einst die Dächer der Gewächshäuser stützten. Nachdem eisigen Winter 1928/1929, in dem alle Bäume erfroren, gaben dieDorfbewohner das Geschäft mit den Zitronen auf. Es hatte sich wegender billigen Konkurrenz aus Sizilien ohnehin kaum noch gelohnt.

Haupteinnahmequelle des Dörfchens mit dem romantischen Hafen istseither der Fremdenverkehr. Knapp 1000 Einwohner begrüßen in derHochsaison jeden Tag bis zu 10 000 Touristen mit Deutschlandfähnchenund allerhand Kitsch und Fast Food zu Nepppreisen. In Pensionen undHotels, die sich am Hang übereinander stapeln, werden Zimmer mitSeeblick versprochen, selbstverständlich in deutscher Sprache. Waskeine Touristenunterkunft ist, ist wahrscheinlich ein Souvenirladenoder eine Imbissbude. Spätestens an der dritten Pizzeria, die alsbesondere Spezialität «Pizza con Wurstl» anbietet, packt denRomantiker das Grausen, und er flieht zurück auf die Gardesana.

Am Ende der Tunnelstrecke mit ihren dramatischen Licht- undSchatteneffekten liegt Gargnano, ein beschauliches Dorf, das seinenCharme trotz des zunehmenden Urlauberandrangs in den vergangenenJahrzehnten gerettet hat. Verwinkelte Gassen führen vorbei anprächtigen Palazzi-Fassaden zu einem idyllischen Hafenbecken. DieWellen schlagen sanft gegen die Mauern der weit ins Wasser hineinreichenden Fischlokale. Hier gibt es keinen Massentourismus, denn diefür den Gardasee typischen Kiesstrände sind rar.

Historische Berühmtheit erlangte Gargnano in den Jahren 1943 bis1945, als Benito Mussolini in der Villa des Verlegers GiangiacomoFeltrinelli von den Nazis als Führer einer faschistischenMarionettenregierung festgehalten wurde. Heute befindet sich in derocker- und tonfarbenen Villa im neogotischen Stil ein Luxushotel. DasHaus ist so exklusiv, dass Gäste jeden Vormittag nach derZimmerreinigung frisch gepflückte Rosenblätter in derToilettenschüssel finden.

Die nächste Station auf dem Weg nach Süden ist der DoppelortToscolano-Maderno. Hier, am reißenden Toscolano-Bach, entwickeltesich seit dem 14. Jahrhundert eine bedeutende Papierindustrie, die inder Folgezeit die umliegenden Orte in ganz Europa berühmt machte.Auch das Büttenpapier, auf dem die erste Lutherbibel gedruckt wurde,stammt angeblich aus dieser Ecke des Gardasees. Heute gibt es inToscolano nur noch eine einzige Papierfabrik - im 17. Jahrhundertwaren es dagegen 50 Nasspressen.

Wanderer können im düsteren «Valle dei Cartieri», dem «Tal derPapiermühlen», noch ein paar verfallene und von Kletterpflanzenüberwucherte Ruinen aus dem 19. und 20. Jahrhundert besichtigen.Einige der alten Gebäude in tiefen Schluchten zwischen Steineichenund Zypressen, umrahmt von reißenden Sturzbächen und plätscherndenNebenläufen, werden restauriert und sollen in Museen umgewandeltwerden. Einen Vorgeschmack darauf bietet das kleine Papiermuseum, dasin einem gut erhaltenen Portiershäuschen am Eingang des Talsuntergebracht ist.

Zurück aus dem schattigen, verwunschenen Tal erscheint derSonnenglanz am Ufer des Sees noch strahlender als zuvor. Dies ist dierichtige Stimmung für Gardone Riviera, das klimatisch besondersbegünstigte «Klein-Nizza» des Gardasees, das südlich vonToscolano-Maderno liegt. Der wärmste Ort im nördlichen Italien, durchhohe Berge im Rücken vor kühlem Wind geschützt, wurde Ende des 19.Jahrhunderts als Winterkurort entdeckt. Um das Jahr 1900 entstandenan der Uferpromenade erste Luxushotels, und Gardone erwarb sich denRuf der nobelsten Adresse am See - und diesen Ruf hat der Ort bisheute behalten. In den Sommermonaten residieren in den Villen desOrtes vor allem gut betuchte Mailänder und Münchner.

Auch der Wiener Künstler André Heller hat hier sein persönlichesParadies gefunden und es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: einenungewöhnlichen Botanischen Garten, den der Prominentenzahnarzt ArturoHruska im Jahr 1913 am Berghang anlegte. Zu dessen Patienten zähltender letzte russische Zar, Sigmund Freud und einige Päpste. InGardones besonderem Klima konnte sich der Hobbybotaniker Hruska denTraum von einem «Weltgarten» erfüllen, in dem verschiedenste Pflanzenaus allen Winkeln der Erde in kunstvoll angelegten Berg- undTropenlandschaften gedeihen. Orchideen wachsen nur wenige Meterentfernt von Alpenveilchen, Bambuswälder vereinen sich mit Seerosen,und Amazonaspflanzen lehnen sich an die Stämme europäischer Bäume.

André Heller hat die Tradition des Gartens in den vergangenenJahren fortgeführt und noch einige Kunstwerke hinzugefügt - zumBeispiel zwei Wasserspeierfratzen an einer Brücke, die sich inunregelmäßigen Abständen gegenseitig anspucken und dabei gelegentlichauch vorbeikommende Besucher treffen. Die Figuren des Künstlers sindoriginelle Akzente, die den Charme der Anlage noch unterstützen. Ein«Vorbote des Glücks» sei Gardone für ihn, erklärt der WahlitalienerHeller - der Traum vom Süden scheint am Westufer des Gardasees tatsächlich in Erfüllung zu gehen.

INFO-KASTEN: Gardasee

REISEZIEL: Der Gardasee wird den drei italienischen RegionenTrentino, Venetien und Lombardei zugerechnet. Die Südspitze liegt inder Nähe von Verona. Von Mailand ist er gut 100 Kilometer entfernt.

ANREISE: Mit dem Auto fährt man über Innsbruck und den Brenner bisnach Trient. Von dort führt eine Bergstraße über Arco bis Riva. ImSommer gibt es außerdem direkte Zugverbindungen von Deutschland anden Gardasee. Die nächstgelegenen Flughäfen sind Verona und Mailand.Von dort fahren Busse an den Gardasee.

KLIMA UND REISEZEIT: Am Gardasee herrscht warmes, trockenes Klimamit etwa 320 Sonnentagen im Jahr. Die typische Reisezeit ist vonMitte März bis Mitte Oktober, aber auch im Winter kann man beiSonnenschein zumindest mittags im Freien sitzen.

WÄHRUNG: Seit 2002 wird in Italien mit dem Euro bezahlt.

SPRACHE: Italienisch.

UNTERKUNFT: Die Preise am Gardasee liegen mit Ausnahme vonLuxusunterkünften auf mittlerem Niveau.

INFORMATIONEN: Italienisches Fremdenverkehrsamt ENIT, Kaiserstraße65, 60329 Frankfurt (Tel.: 069/23 74 34, Broschüren-Versand: 00800/0048 25 42, Fax: 069/23 28 94, E-Mail: [email protected])