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Interview Interview: Jürgen Klopp ist gläubiger Christ und «fast immer guter Stimmung»

21.12.2007, 16:24

Mainz/dpa. - «Glaube spielt sich bei mir im Kopf und im Herzen ab und ist nicht anOrte gebunden», sagte der 40-Jährige in einem Gespräch mit derDeutschen Presse-Agentur dpa und offenbart ein wenig von seinerprivaten Seite.

Wie leben Sie mit dem Rummel um Ihre Person als Kult-Trainer»?

Klopp: «Mein Leben hat sich nicht verändert. Aber die Leute haben dasGefühl, dass ich ständig im Fernsehen bin. Bisher hat es mir nichtgeschadet. In wieweit es mir geholfen hat, kann ich überhaupt nichteinschätzen, weil ich mit niemanden darüber spreche: Mit den meistenLeuten, die ich treffe, rede ich über Fußball, nicht über Fernsehen.»

Wie geht es mit dem ZDF-Trio Klopp, Urs Meier und Johannes B.Kerner weiter?

Klopp: «Wir verstehen uns privat super, wir sind bei der (Fußball-)Weltmeisterschaft im Sommer 2006 Freunde geworden. Wir waren abendsin Berlin unterwegs wie alle, wenn wir nicht gesendet haben. DieserStimmung konnte man sich nicht entziehen. Bei der Europameisterschaft2008 geht es von der Seebühne in Bregenz weiter.»

In der Debatte um Manager-Gehälter wurden auch Fußball-Profis insSpiel gebracht. Verdienen die zu viel Geld?

Klopp: «Der Unterschied zwischen Managern und Bundesliga-Profis istder, dass die mit 35 Jahren fertig sind. Aber es gibt manche Manager,die sitzen noch mit 70 Jahren in Verwaltungsaufsichtsräten. Das wirein Land voller Fußballmillionäre haben, ist ganz bestimmt nicht so.Da gibt es ganz andere Länder. Klar gibt es Leute, die unheimlichviel verdienen, und viele, die richtig gut verdienen, aber mit demWissen, mit 35 geht es in Fußball-Rente. Das heißt, mit 33 ist Dirirgendwann klar, dass Du demnächst etwas machen musst, was Dudefinitiv nicht so gut kannst wie Fußball spielen.»

Wie sehen Sie Ihren Stil als Trainer? Sind Sie streng?

Klopp: «Meist werde ich als Frauen- und Spielerversteher dargestellt.Das ist aber nicht gerade ein Qualitätskriterium im Fußball. Ich bingrundsätzlich fast immer guter Stimmung - das ist Naturell. Die Jungsprofitieren davon auch im Umgang, solange sie sich an das halten, wasnotwendig ist. In dem Augenblick, in dem einer links oder rechtsausschert, gibt es auch was zwischen die Hörner, eine Sanktion, unddann ist es auch gut. Ich unterscheide ganz klar zwischen demMenschen und dem Spieler. Der Spieler kann Bockmist bauen, das hatfür mich mit dem Menschen erstmal gar nichts zu tun. DiePrioritätenliste ist ganz klar: Die heißt Familie, dann kommtallerdings Fußball, Fußball, Fußball, Fußball, Fußball - und dann,was jeder so will.»

Worin liegen die Unterschiede zwischen Ihrer Rolle als Trainer undals Familienvater?

Klopp: «Der große Unterschied ist: Ich mag meine Spieler aber ichliebe meine Jungs. Wenn man ganz junge Menschen begleitet und dastäglich und auch in Extremsituationen, hat das natürlich mitErfahrung weitergeben und mit Erziehung zu tun. Nichts anderes istKindererziehung auch: Erfahrung mitgeben. In Extremsituation kannich mal sagen: "Kenn ich, ist nicht so schlimm, geht vorbei".Pubertät beispielsweise.»

Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Klopp: «Ich lese super gerne. Dazu hätte ich tatsächlich ab und zuZeit, aber nicht immer einen Kopf. Ich bin jemand, der relativ starkabtaucht in so eine Geschichte. Solche Bücher wie die von Tommy Jaud("Vollidiot"), kann ich in jeder Phase lesen, die sind überragend.Ich habe selten so gelacht. Aber am liebsten lese ich geschichtlicheRomane wie die "Päpstin" oder "Säulen der Erde" ­ da baue ichKathedralen in Gedanken. Meine Frau Ulla und ich, wir lesen beidesehr gerne ist und können das auch klasse gemeinsam machen.»

Sind Sie abergläubisch?

Klopp: «Eigentlich gar nicht. Aber es fällt mir manchmal auf, dassich mich an Dinge erinnern kann, die ich vor dem Erfolg eines Spielesgemacht habe und ertappe mich dann dabei, es nochmal zu machen. Abernie so, dass ich unruhig werde, wenn ich merke, es geht heute nicht.Es ist wie so ein kleiner Versuch, nichts dem Zufall zu überlassen.»

Sie sind bekennender Christ. Welche Rolle spielt Ihr Glaube imAlltag?

Klopp: «Ich bete täglich. Ich gehe aber nicht regelmäßig in dieKirche. Glaube spielt sich bei mir im Kopf und im Herzen ab und istnicht an Orte gebunden. Ich genieße aber die Atmosphäre in derKirche. Meine Frau ist katholisch, ich bin evangelisch. Wir schauenimmer mal im anderen Club vorbei. Ich mag Rituale, Dinge, die demMenschen Sicherheit und in gewisser Weise auch Trost geben. Ich habelange gebraucht, um den gütigen, den richtigen Gott zu erfahren. Wennman von einer schwäbischen Mutter groß gezogen wird und der Vater dieganze Woche im Außendienst ist, dann gibts zum einen einenstrafenden Gott und zum anderen den Vater, wenn er heim kommt.»

Welches Weltbild verbinden Sie mit Ihrem Glauben?

Klopp: «Ich finde grundsätzlich, dass der Auftrag, den wir auf derWelt haben, der ist, das kleine Stückchen Erde, auf dem wir unsbefinden, einfach ein bisschen schöner zu machen. Ich möchte mich soverhalten, dass es den anderen auch gut geht. Es ist mir ganzwichtig, wie es Familie und Freunden geht. Ich bin sicher tolerantund anderen Religionen gegenüber aufgeschlossen. Ich glaube daran,dass es nach dem Leben weiter geht. Ich bin der absolut festenÜberzeugung, dass wir uns alle irgendwann da oben vor der Tür wiedertreffen und sagen: "Mein Gott deswegen haben wir so ein Theatergemacht"»

Hilft Ihnen Ihr Glaube, zu entspannen?

Klopp: «Ja auch. Ich habe ja alles andere als Pech gehabt im Leben.Natürlich stellt sich da die Frage, hat meine Einstellung zu demLeben geführt, oder das Leben zu der Einstellung? Ich weiß nur, dasses mir eigentlich immer so ging: Ich war schlecht in der Schule, undmir ging es trotzdem gut. Nicht jede persönliche Niederlage musseinen Schatten über den Resttag werfen. Zu wissen, dass man nicht sowahnsinnig wichtig ist und trotzdem eine wichtige Aufgabe hat, hilftschon dabei sich zu entspannen. Ich schlafe sensationell.»

Welche Ziele haben Sie?

Klopp: «Ich möchte der beste Trainer werden, der ich sein kann. Dasist schon alles. Deswegen sitze ich zu Hause im Büro und gucke mirSpiele an, die sonst keinen Menschen auf der Welt interessieren, unddas fünf Stunden lang, um zu gucken, was machen die eigentlich undvor allem warum. Ich bin total gespannt auf meine Zukunft, was nochalles passiert. Aber ich weiß heute schon, dass, wenn ich in 20, 30Jahren auf die Trainerkarriere zurückblicke und ich keinenMeistertitel gewonnen hätte, das dann trotzdem ok wäre. Ich binniemand, der Dingen hinterher weint.»

Was hat Ihnen Ihr 40. Geburtstag in diesem Jahr bedeutet?

Klopp: «Die 40 interessiert mich gar nicht. Solange ich nicht miteinem Pepitahut im Auto sitze und eine Klopapierrolle hinten auf derAblage habe, ist mit mir - glaube ich - alles in Ordnung. Meine Fraugibt mir das Gefühl, mich absolut zu lieben und klasse zu finden,deswegen müsste ich mir jetzt über Falten, die ich kriege, nicht soviel Gedanken machen. Fast alle 40-Jährigen haben nicht mehr diegleiche Figur wie mit 30. Ich komme damit absolut zurecht.»

Was machen Sie mit 50 oder 60 Jahren?

Klopp: «Ich kann mir vorstellen, in 15, 20 Jahren mal dem Trainer-Jobin den Staaten an irgendeinem College nachzugehen. Den Job liebe ichüber alles. Im Moment ist das noch an Ehrgeiz gekoppelt, ausbestimmten Situationen das Maximale rauszuholen. Das wird nichtmein Leben lang so sein. Ich werde nicht mit 65 noch irgendwo sagen:"Wenn ich dieses Jahr nicht Meister werde, dann ist es eineKatastrophe". Sondern dann bin ich irgendwo, wo ich den Job immernoch mache, falls ich ihn noch machen kann und immer noch Lust dazuhabe, was ich glaube, aber dann mit deutlich weniger Wochenenden.»

Hat es Sie genervt, dass Sie wegen Ihres Aussehens mit Harry Potterverglichen wurden?

Klopp: «Harry Potter hat mich null genervt. Haare, Brille undirgendwie Zauberstab. Ich habe ein großes Talent dafür, solche Dingekomplett an mir vorbeirauschen zu lassen. Die Haare bedeckenmittlerweile nur noch die Geheimratsecken, das war es auch schon. Undrasieren tu ich mich dann, wenn ich dran denke. Meine Frau Ulla störtes nicht. Das ist cool.»

Was regt Sie auf? Was ärgert Sie?

Klopp: «Wenn wir unnötigerweise verlieren, ärgert mich das sogarsehr. Wenn Leute mit ihrem Talent schludern, ärgert mich das. WennLeute eine Chance, die man ihnen bietet, nicht erkennen. Sich nichtalles abzuverlangen, ärgert mich, weil ich einfach finde, wenn ichwas mache, kann man es gefälligst auch richtig machen. Sonst lasseich's.»

Haben Sie Vorsätze fürs neue Jahr?

Klopp: «Ich bin jemand, der sich immer auf das konzentriert, was ergerade macht. Ich bin nicht jemand, der versucht vier Sachengleichzeitig zu machen.»