Heimat des Grappa Heimat des Grappa: Genussreise durch Venetien und Friaul

Vicenza/Udine/dpa. - Die Zeiten, in denen Grappa nur alsModegetränk galt, sind vorbei. Längst ist der klare Tresterschnapsaufgerückt in die erste Liga der Spirituosen-Klassiker. Grappa kannsowohl geschmacklich als auch preislich durchaus mithalten mit edlemWeinbrand, teurem Malt Whiskey und feinem Obstbrand. Im Unterschiedzu diesen hochprozentigen Kostbarkeiten, die in vielen Ländernhergestellt werden, ist Grappa jedoch einmalig: Der Name ist Tresterbränden vorbehalten, die in Italien gebrannt werden. Alswichtigste Grappa-Regionen gelten Venetien und Friaul. Hier könnenGäste den Produzenten beim Destillieren über die Schulter schauen undden Variantenreichtum des Grappa aus erster Hand kennen lernen.
In Norditalien kam man zuerst auf die Idee, aus ausgepresstenTrauben und Kernen einen Schnaps zu destillieren. Ein konkreter«Grappa-Geburtsort» ist allerdings nicht bekannt, auch wenn einigeReiseführer bis heute der «Schnapsidee» erliegen, der Monte Grappa inVenetien und das zu seinen Füßen liegende Gebirgsstädtchen Bassanodel Grappa seien die wahre Heimat des edlen Getränkes. Vielmehrleitet sich der Name ab vom lateinischen «rapus» für Traube, innorditalienischen Dialekten wurde daraus «gràpo», «rappe» oder«graspa».
Trotzdem ist die Gegend rund um die Stadt Vicenza und den MonteGrappa für Grappa-Fans von Bedeutung. Schließlich werden hier rund 40Prozent aller italienischen Grappe produziert, darunter einige derbesten des Landes. Beispielsweise in der Brennerei Jacopo Poli inSchiavon: Der Grappa wird hier ausschließlich nach traditionellemVerfahren aus frischem, sortenreinem Trester gebrannt, also austrockenen, ausgepressten Trauben. Die altmodisch anmutende, kupferneDestillationsanlage kann besichtigt werden, und im hauseigenenGrappa-Museum wird die Herstellung des Edelschnapses anschaulicherläutert. Die Theorie lässt sich anschließend im Verkostungskellervertiefen. Im hauseigenen «Fabrikverkauf» kosten die Nobel-Destillatenur rund halb so viel wie in Deutschland.
Weiter geht es nach Bassano del Grappa, ein idyllischesBergstädtchen, durch das der Fluss Brenta fließt. Beim Rundgang durchdie Gassen fallen die vielen Keramik- und Spezialitätengeschäftesofort ins Auge. Für beides ist Bassano berühmt, wobei zu denangebotenen Delikatessen vor allem regionale Salamisorten und diversewürzige Bergkäse zählen und - natürlich - Grappa. Der wird hierbereits seit Jahrhunderten gebrannt. Einstmals als Arme-Leute-Schnapsverkauft, zählt er heute zu den teuersten Produkten in denSchaufenstern.
Direkt an der Holzbrücke über die Brenta, 1569 nach Entwürfen desMeisterarchitekten Andrea Palladio errichtet, lockt eine der urigstenGrapparias des Landes: die «Osteria del Ponte», seit 1779 im Besitzder Familie Nardini. Die Nardinis destillieren ihren Grappa bis heutein kupfernen Brennblasen im Wasserbad. Im Schankraum, der originalerhalten ist, werden diverse Sorten angeboten: Grappa von Tocai-,Cabernet- und Moscato-Trauben, aber auch Acquavite di VinacciaRiserva, ein goldfarbener, nach Nuss und Pflaume duftender Schnapsaus ganzen Trauben. Weil er nicht aus Traubentrester, sondern aussaftigen frischen Früchten hergestellt wird, darf er nicht Grappaheißen.
Bassano del Grappa hat, wie es heißt, auch die britische Queen Mumbegeistert. Anlässlich ihres Venetienbesuchs vor Jahren kehrte sie,die sonst Gin bevorzugte, in der «Osteria del Ponte» ein. Denausgeschenkten Seelenwärmern soll sie munter zugesprochen haben.
Ein touristisches Glanzlicht in diesem Teil von Venetien sind dieStadt Vicenza und die historischen Villen im Umland, von denen 19ebenfalls von Baumeister Palladio stammen. Als das perfekteste undbekannteste seiner Werke gilt die Villa La Rotonda auf einem Hügelvor den Toren Vicenzas. Grandios ist es Palladio hier gelungen, ineinem Gebäude eine Villa und einen Tempel zur Harmonie der Formen zuvereinen: quadratischer Grundriss, Vorhallen mit sechs Säulen aufjeder Seite, als Krönung eine Kuppel - ein Klassiker, der von derUnesco zum Weltkulturerbe erhoben wurde.
Auch in Vicenza selbst hat Palladio Spuren hinterlassen. ElfPalazzi und öffentliche Gebäude hat er der schmucken100 000-Einwohner-Stadt beschert, darunter die Basilika Palladiana,die nicht als Gotteshaus diente, sondern Versammlungsort derFührungsschicht der Stadt war. Genau so meisterhaft ist PalladiosTeatro Olimpico geraten, der erste überdachte Theaterbau der Neuzeit.Vicenza war auch eine Station auf der Italienreise von JohannWolfgang von Goethe - er war derart angetan von der Stadt, dass ergleich zehn Tage blieb.
Wer vom Grappa noch nicht genug hat, sollte sich in Vicenza beider Touristinformation nach Tagen der offenen Tür erkundigen: Hin undwieder öffnen sechs ausgewählte Spitzendestillerien rund um die Stadtihre Pforten für Gäste. Neben Jacopo Poli sind das zum Beispiel dieinternational hochgerühmten Brennereien Fratelli Brunello inMontegalda und Capovilla in Rosa, nicht weit entfernt vom MonteGrappa. In den Weingärten und Obsthängen des 1775 Meter hohen Berges,und nur hier, gedeihen die Früchte, die bei Capovilla zu denexzellenten Bränden verarbeitet werden, die bei Blindverkostungenregelmäßig begeistern und schon viele Preise eingeheimst haben.
Neben Venetien ist Friaul an der Grenze zu Österreich undSlowenien Italiens andere wichtige Grappa-Region. Hier werden schonseit Jahrtausenden Weine von erster Güte gekeltert. Ihr guter Rufsprach sich schnell bis nach Rom herum, was Julius Cäsar, seinesZeichens Weinliebhaber, schließlich dazu bewegte, Friaul seinemWeltreich einzuverleiben.
Wein bestimmt bis heute das Leben im Friaul, man kann hier in fastjedem Weingut Wein und Grappa kaufen. Grappa-Kenner pilgern jedochnach Percoto bei Udine: Hier hat die Destillerie Nonino ihren Sitz,für viele die bedeutendste Brennerei in ganz Italien. Seit 1887 einFamilienbetrieb, wird hier bis heute quasi in Handarbeit in kupfernenBrennapparaten der begehrte Nonino-Grappa produziert.
Die Noninos waren die ersten, die auf die Idee kamen,Jahrgangsgrappa herzustellen. Das war 1967. Sechs Jahre späterbrachten sie den inzwischen legendären «Picolit» auf den Markt: denersten rebsortenreinen Grappa, destilliert ausschließlich ausfeinsten regionalen Rebsorten wie Pignolo und Ribolla Gialla. DieSerie an Spirituosen-Innovationen führte zu einem wahren Medaillen-und Preiseregen - erst 2002 wurden die Noninos mit dem «PremioMaggiore», dem höchsten Preis der italienischen Weinbranche,ausgezeichnet.
Auch landschaftlich ist Friaul nicht ohne Reiz. Im Norden undOsten prägen Karst-Alpen das Bild, im Süden öffnet sich die Regionzur Adria. Hauptstadt und kulturelles Zentrum ist Udine, einewohlhabende Stadt mit gut erhaltenen Gotik- und Renaissancegebäuden,mit Laubengängen, deren Geschäfte zum Bummeln einladen, vor allemaber mit venezianisch anmutender Architektur, die an der PiazzaLiberta besonders gelungen ist. Das Rathaus erinnert an denDogenpalast in Venedig, und der gegenüber liegende Uhrenturm, derLoggia di San Giovanni, könnte genau so gut am Markusplatz stehen.
Rund 27 Kilometer nordwestlich von Udine liegt ein Ort, derFeinschmecker aufhorchen lässt: San Daniele del Friuli. Von hierkommt der berühmte San-Daniele-Schinken. 17 Monate lang reift er ander frischen Gebirgsluft, danach kann er es durchaus mitParma-Schinken aufnehmen. Wer daran zweifelt, probiert am besten inden vielen «Proscutterien» in den Gassen rund um den Dom - jedesLokal hier hat die feine Spezialität auf der Karte, die mit frischemBrot und friaulischem Landwein am besten schmeckt.
Als Abschluss einer Genussreise nach Venetien und Friaul bietetsich ein Abstecher ans Meer an. Ideal für ein paar Tage Abkühlung ander Adria ist das Örtchen Grado, das weit draußen in einer Laguneliegt und über einen kilometerlangen Autodamm zu erreichen ist. Schonzu «k.u.k.»-Zeiten erkoren der Habsburger Adel und das wohlhabendeWiener Bürgertum Grado zum glamourösen Thermalkurort, dessenhistorischer Kern noch gut erhalten ist. Ganz so glanzvoll wie frühergeht es heute an Grados langen Stränden zwar nicht mehr zu, eineherrliche Sommerfrische ist der Ort aber noch immer - und das bis inden Herbst hinein.
