Hannover Hannover: Emotionaler Abschied von Robert Enke
Hannover/dpa. - Weiße Rosen, bewegende Worte und viele Tränen:Bei einer emotionalen Zeremonie haben fast 40 000 Menschen am SonntagAbschied von Robert Enke genommen. Mit klassischer Musik undaufwühlenden Ansprachen wurde in der größten Trauerfeier derdeutschen Sportgeschichte des Nationaltorwarts gedacht, der sich amDienstagabend im Alter von 32 Jahren das Leben genommen hatte. DerSarg Enkes war im Mittelkreis des Stadions in Hannover aufgebahrt.Seine Witwe Teresa saß mit Familienangehörigen und Freunden auf einemam Spielfeldrand aufgebauten Podest. Alle Nationalspieler verneigtensich am schlichten Holzsarg, der von Blumengebinden und einem Herzaus weißen Rosen umgeben war.
Nach der Andacht von Pfarrer Heinrich Plochg trugen die 96-Profisden Sarg zum Song «The Rose» und dem Fußball-Kultlied «You'll neverwalk alone» aus dem Stadion. Am Nachmittag wurde Enke nach einerprivaten Trauerfeier in der Kapelle des Klosters Mariensee beiströmenden Regen im engsten Familienkreis auf dem Friedhof Empede beiNeustadt am Rübenberge neben seiner Tochter Lara beigesetzt. Daszweijährige Mädchen war 2006 gestorben.
Fünf Fernsehstationen übertrugen die 70-minütige Trauerfeier live,der Abschied von Enke hatte Dimensionen eines Staatsbegräbnisses.DFB-Präsident Theo Zwanziger appellierte in seiner Rede an dieMenschlichkeit und forderte einen Blick über den Sport hinaus.«Fußball ist nicht alles. Denkt nicht nur an den Schein. Denkt auchan das, was in den Menschen ist, an Zweifel und Schwäche», sagteZwanziger. Alle seien aufgerufen, nach der Trauer das Leben in Maßund Balance mit Fairplay und Respekt zu gestalten. Das Kartell «derTabuisierer und Verschweiger» müsse durchbrochen werden. 96-ChefMartin Kind pries Enke für seine sportlichen Leistungen und hob zudemdie menschlichen Qualitäten des Torhüters hervor.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff würdigtebesonders Teresa Enke, die einen Tag nach dem tragischen Tod von derschweren Depression ihres Mannes und dem langen Leidensweg berichtethatte. «Ich möchte Ihnen meine Hochachtung ausdrücken für die offenenWorte einen Tag nach dem Tod Ihres Ehemannes», sagte Wulff. DieTrauergäste erhoben sich von ihren Sitzen und spendetenlanganhaltenden Applaus. Der Auftritt der 17 Jahre alte SchülerinAlina Schmidt, die die Vereinshymne «96 - alte Liebe» sang, rührteauch die hartgesottenen Fans in der Nord-Kurve zu Tränen.
«Seit Dienstagabend verharrt Hannover in tiefer Trauer», sagteOberbürgermeister Stephan Weil: «Es ist sehr still in Hannover, abergleichzeitig ist die Stadt zusammengerückt.» Der große Beifall fürdie deutsche Nationalmannschaft, die nach Enkes Suizid das Spielgegen Chile abgesagt hatte, wirkte wie eine Befreiung für die Fans,die ihre Gefühle und ihr Beileid nicht anders ausdrücken konnten.Neben dem DFB-Team um Bundestrainer Joachim Löw gehörten Vertreterzahlreicher Verbände, Bundesligisten, ausländischer Vereine undSpieler zu den Trauergästen. Auch Franz Beckenbauer, Ex-BundestrainerJürgen Klinsmann, Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Ex-Kanzler Gerhard Schröder erwiesen Enke die letzte Ehre.
Direkt von der Trauerfeier reiste die Nationalelf nach Düsseldorf,wo sich der Vize-Europameister auf das letzte Länderspiel des Jahresgegen die Elfenbeinküste vorbereitet. Es wird für Spieler, Trainerund Funktionäre ein Spagat ohne bisheriges Beispiel. Schon fürSonntagnachmittag hatte Löw im «Hilton»-Hotel eine individuelleFitness-Einheit angesetzt, ein erster Schritt zu vertrauten undgewohnten Abläufen. An diesem Montag wird die Nationalelf dannerstmals wieder auf dem Rasen üben. Für Löw wird das 45. Länderspielals Bundestrainer die außergewöhnlichste Mission seit dem Amtsantrittim Sommer 2006. Kapitän Michael Ballack und Enke-Freund PerMertesacker hatten vor Beginn der Gedenkfeier einen Kranzniedergelegt.
Nach Angaben seines Vaters Dirk Enke hat der Tod der herzkrankenTochter Robert mehr belastet als bislang zu erkennen war. Der Vaterschilderte dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» zudem, dass sein Sohnschon als Jugendlicher unter Versagensängsten gelitten habe. Nachdemder Torwart im Jugendalter oft in höhere Altersklassen eingestuftworden war, sei es schon dabei «immer wieder zu Krisen» gekommen,berichtete der promovierte Psychotherapeut. Wenn die Depressionen,deretwegen Robert Enke seit 2003 in Behandlung gewesen war, besondersstark auftraten, war der Torwart demnach kaum in der Lage, seinemBeruf als Fußballprofi nachzukommen.
«In kritischen Phasen hatte Robert Angst, dass ein Ball auf seinTor geschossen würde», schilderte Dirk Enke. Sein Sohn habe Anfällegehabt, «wollte nicht zum Training, konnte sich nicht vorstellen, imTor zu stehen». Robert sei so verzweifelt gewesen, dass er ihn einmalgefragt habe: «Sag mal, Papa, nimmst du mir das übel, wenn ich mitdem Fußball aufhöre?», sagte Dirk Enke, «ich sagte: Robert, das istdoch nicht das Wichtigste, um Gottes Willen.»