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Handball Handball: Unschlagbarer Fritz in der Nerven-Schlacht gegen Spanien

Von Frank Kastner und Uwe Jentzsch 25.08.2004, 15:09
Der deutsche Torhüter Henning Fritz (Blaues Trikot) springt vor Freude über den Sieg gegen Spanien in die Luft. Deutschland gewann 32-30. (Foto: dpa)
Der deutsche Torhüter Henning Fritz (Blaues Trikot) springt vor Freude über den Sieg gegen Spanien in die Luft. Deutschland gewann 32-30. (Foto: dpa) DPA

Athen/dpa. - Vier Siebenmeter hatte er entschärft, 30 «Knaller» pariert und tausende Fans beim Handball-Krimi in Ekstase versetzt - und trotzdem blieb Henning Fritz ganz cool.

«Ich hätte hier auch mit Tränen in den Augen stehen können. Kleinigkeiten machen einen zum Helden oder zum Pechvogel», sagte der Torhüter vom THW Kiel nach dem 32:30-Sieg nach zweimaliger Verlängerung und Siebenmeterwerfen gegen Spanien und dachte nach dem Happy-End an seine Frau Babett, die unter den 7000 Zuschauern abwechselnd «Glücksgefühle und Wahnsinns-Qualen» durchleiden musste. «Für sie war es auf der Tribüne die Höchststrafe. Ich könnte in so einem Spiel noch nicht einmal auf der Bank sitzen», sagte der Torhüter, der mit 51 Prozent parierten Würfen den Einzug der Handballer ins Halbfinale der Olympischen Spiele ermöglichte. Gegner in Athen ist Sydney-Olympiasieger Russland.

«Seine Leistung war legendär. Er ist damit ziemlich nah an sein Vorbild Wieland Schmidt heran gekommen», lobte Stefan Kretzschmar, der als erster Werfer beim Siebenmeterwerfen gescheitert war und fast wieder wie in Sydney 2000 zum tragischen Helden geworden wäre. Schmidt selbst, der den Viertelfinal-Krimi unmittelbar nach dem Torhütertraining bei seinem früheren Verein SC Magdeburg erlebt hatte, stufte die Leistung seines Freundes, mit dem er zusammen das Torhüter-Buch «Unschlagbar» schreibt, noch höher ein. «Ich dachte immer, ich wäre unsterblich, aber Henning hat mich mit dieser Leistung überrumpelt», meinte der ehemalige Weltklassekeeper, der beim Olympiasieg der DDR vor 24 Jahren in Moskau den letzten entscheidenden Wurf des Russen Alexander Karschakewitsch im Finale (23:22) gehalten hatte.

Unschlagbar präsentierte sich Fritz in der Nerven-Schlacht gegen die Iberer. «Unser Torhüter war sehr gut, doch Fritz war einfach super», sagte sein ehemaliger Kieler Kollege Demetrio Lozano. Die entscheidenden Tipps hatte Fritz vom Physiotherapeuten Wolfgang Hahn bekommen. «Immer positiv denken, nicht die Vergangenheit, nur die Gegenwart zählt», verriet Fritz das Erfolgsrezept.

Seine Vorderleute hatten davon offenbar nichts gewusst. Ihre Trefferquote lag nur bei 41 Prozent. «Torhüter Barrufet ist eben auch ein Weltklassemann», sagte Christian Schwarzer, der «nach dem mental enorm anstrengenden Match» noch in der Halle zwei Infusionen bekam und sich über die Glückwunsch-SMS von Basketball-Star Dirk Nowitzki aus Dallas freute. «In meiner Karriere bin ich schon einige Berge hoch gekraxelt, doch dies war der höchste Berg, den wir mit dieser Mannschaft bestiegen haben», meinte der Kreisläufer und betonte: «Wir sind aber noch nicht auf dem Gipfel».

Kretzschmar (25 Prozent Wurfausbeute), der das Spiel gegen Spanien als persönliche Vergangenheitsbewältigung nutzen wollte, ging nach dem Schlusspfiff im Eiltempo in die Kabine: «Fragt die anderen, die haben heute mehr beigetragen als ich.» Am Tag danach fand auch er, der auf dem Parkett teilweise wie gelähmt wirkte, wieder zu alter Schlagfertigkeit zurück. «Kein Sportler ist so cool, dass er solche Erlebnisse wie in Sydney so einfach verdrängt. Bei dem verworfenen Siebenmeter dachte ich, jetzt hast du das Ding wieder versaut. Aber ich wusste auch, dass Fritz die Siebenmeter alle hält», sagte er.

Trotz zwölf Fehlversuchen blieb zumindest Daniel Stephan in den entscheidenden Momenten abgeklärt und nervenstark. Erst rettete er sein Team mit dem verwandelten Siebenmeter zum 28:28 in die zweite Verlängerung, dann erzielte er vom Punkt den 32:30-Siegtreffer. «Die Nervenanspannung beim entscheidenden Siebenmeter war immens», gestand der Lemgoer.