Große Monet-Ausstellung in Wuppertal
Wuppertal/dpa. - Seine stimmungsvollen Seerosen-Gemälde sind längst als Postkarten- oder Kalender-Motive weltweit beliebt: Nicht weniger als den «ganzen» Monet in seiner immensen Bedeutung als Pionier der Moderne zeigt jetzt das Von der Heydt-Museum in Wuppertal.
Dabei reicht die Palette von frühen Karikaturen aus der Schülerzeit Claude Monets (1840-1926) in Stile Daumiers über erste impressionistische Experimente bis zu den atemraubenden Spätwerken aus dem Garten von Giverny mit duftigen Blumenrabatten und knospenden Seerosen. Die mit Höhepunkten der Kunstgeschichte gespickte Ausstellung vermeidet bewusst «steile» kunsthistorische Thesen und ist nur in Wuppertal vom 11. Oktober bis zum 28. Februar 2010 zu sehen.
Waren bisher dem Pionier des Impressionismus in Deutschland lediglich Präsentationen zu Einzelaspekten gewidmet, so geht es Wuppertals Museumschef Gerhard Finckh darum, mit der unglaublichen Zahl von fast 100 Meisterwerken in der bisher größten deutschen Monet-Schau Schritt für Schritt die Entwicklung des Franzosen zu einem der wichtigsten europäischen Künstler darzustellen. Die durchgängig hohe Qualität, die Folgerichtigkeit seiner künstlerischen Entwicklung und Radikalität auf dem Weg zur Moderne holen den Maler endgültig aus der Ecke eines Lieferanten lediglich lieblich-duftiger, leicht bekömmlicher Impressionen. «Der Mann war einfach ein Genie - und das sagt man nicht so leicht», resümiert Finckh.
Das «Vorwort» der Ausstellung mit den Werken von Lehrern und Anregern zeigt die Wurzeln auf, aus denen der materiell lang darbende Künstler lebenslang Anregungen sog: Der Niederländer Johan Jongkind vermittelte ihm die Sonnenaufgänge; Eugene Boudin, der mit einer Hafenszene von 1860 zu sehen ist, zeigte die Magie spiegelnder Wasseroberflächen, Gustave Courbet formulierte die Felsenküste Nordfrankreichs vor.
Der duster-schattige «Waldweg» von 1865 steht noch ganz im Banne der Landschaftsmaler von Barbizon und ist das früheste Monet-Gemälde in Wuppertal. Mit nervig-knappen Pinselstrichen tastet sich der Künstler in Motiven wie «Segelboote auf dem Meer» (1868) oder der sommerlichen Szene «Am Strand von Trouville» (1870) an die Malweise heran, die Jahrzehnte später als «Impressionismus» Weltkarriere macht. Im Jahr des heftigsten Verrisses der neuen Kunst, der größten Schmach der jungen Szene, entsteht 1874 der lichtspiegelnde Hafen von Le Havre, mit dem Monet seinen braven Lehrer Boudin weit hinter sich gelassen hat.
Wenig später, so erzählt es zumindest eine Anekdote, heizen die Lok-Führer von Paris ihre Kessel besonders kräftig für den umstrittenen Maler. Der dampfgeschwängerter «Bahnhof Saint-Lazare», eingefasst von stählerner Brücke und hohen Häusern, hängt als 1877 entstandener «Kulminationspunkt der Kunstgeschichte» (Finckh) und Ikone einer neuen städtisch-technischen Lebensweise nun an der Wuppertaler Museumswand.
Ob Landschaft, Kathedrale von Rouen oder ein simpler Getreideschober: Monet experimentiert als erster Künstler mit Gemälde-Serien, in denen er die Lichtwirkung zu verschiedenen, im Bildtitel notierten Tageszeiten festhalten will. Die in der Ausstellung zu sehende Version «Getreideschober im Sonnenlicht» (1891), eine Ballung hell-dunkler, vibrierender Farbflächen, die sich erst mit einigem Seh-Abstand zum genannten Bildmotiv wandeln, hat kunsthistorische Folgen. Der junge Wassily Kandinsky sieht 1895 das Gemälde in Moskau, ist nach eigenem Bekunden wie vom Donner gerührt und künftig von der Abstraktion berührt.
Endlich auf der Höhe seines hart erkämpften Ruhmes angelangt, gibt Monet 1902 souverän einen weiteren, lebenslangen Lehrmeister preis: Hinter seiner vom gelbgrünen Nebel fast verschluckten «Charing Cross Bridge im Nebel» steht unverkennbar der große Brite William Turner.
Die allein 20 großformatigen Seerosen-Motive in Wuppertal wären eine eigene Ausstellung wert: Wie genau die bis zu zehn Gärtner im Dienst des nun gefeierten Meisters Teich und Blumenrabatten anzulegen hatten, belegen einige Bleistiftskizzen. In dieser Wildnis mit Kalkül malt Monet Szenen sich spiegelnder Trauerweiden, blühender, üppiger Seerosen und Blumenbeete, die - ohne Uferlinie oder Horizont - zu wahren Farbträumen zu verschwimmen scheinen, die kein oben oder unten, keinen Schein und keine Wirklichkeit mehr kennen. Die Meisterwerke auf der Nahtstelle zur abstrakten Kunst sind nicht nur anrührende Belege des Kampfs Monets gegen seine beginnende Blindheit - sie sind vor allem Zeugnisse radikaler, schöpferischer Freiheit.