Großbritannien Großbritannien: Wo Londons Promis leben
So mancher heute unbezahlbare Stadtteil in der britischen Metropole war früher ein Slum, Notting Hill und Islington zum Beispiel. Doch Hampstead nördlich der Innenstadt war schon immer exklusiv: Im 18. Jahrhundert war es der Kurort von London, denn es liegt auf der Höhe und war nicht in den berüchtigten Nebel aus den Ausdünstungen der weltweit ersten industrialisierten Stadt gehüllt.
Als der Moloch immer weiter ausuferte und schließlich das gesamte Land rund um Hampstead verschluckte, blieb die Enklave unangetastet: Man wähnt sich am Stadtrand, wenn nicht gar auf dem Land. Das liegt vor allem an Hampstead Heath, einem hügeligen Wald- und Wiesengebiet. Bei gutem Wetter rückt halb London hierhin aus. Es gibt einen Badesee für Männer, einen für Frauen und einen "mixed pond". Ziel der meisten Spaziergänger ist der Herrensitz Kenwood House mit seiner exquisiten Gemäldegalerie. Im Sommer ist dieser Teil des Heath an jedem Samstag Schauplatz von Konzerten mit wunderbar englischer Atmosphäre: Man sitzt auf Picknickdecken und lauscht der meist klassischen Musik.
Von Kenwood aus ist es nur ein kurzer Spaziergang zum Friedhof von Highgate. Das Gatter quietscht, ein gewundener Pfad führt in den Totenwald. Spärliches Sonnenlicht fällt durch das Blätterdach. Einzelne Strahlen beleuchten Engel mit gebrochenen Flügeln und Grabplatten unter Efeu und Farn. Mitten im Gestrüpp steht ein Konzertflügel aus Marmor. Ein schlafender Löwe bewacht das Grab eines Zirkusdirektors aus viktorianischer Zeit. Ein Hund hält seinem Herrn seit einer Ewigkeit die Treue. Jetzt geht es durch ein Tor in eine Gruft, eine wahre Nekropolis. Völlige Stille - und zu beiden Seiten Kammern mit aufgestapelten Särgen. Hollywood nutzte den Friedhof als preiswerte Kulisse für Horrorfilme mit Christopher Lee. Heute ist all dem ein Riegel vorgeschoben. Der Friedhof wird von einer gemeinnützigen Vereinigung geschützt. Der Westteil des Friedhofs war einst eine parkähnliche Anlage, in der sich nur die Allerreichsten eine Grabstätte leisten konnten. Auf dem östlichen, dem armen Teil, hat dagegen Karl Marx 1883 seine letzte Ruhestätte gefunden. Der tonnenschwere Bronzekopf wurde dem Grab im Jahr 1954 in überdimensionierter Ostblock-Manier übergestülpt. "Workers of all lands, unite!", steht auf dem Sockel.
So wie Marx im 19. Jahrhundert nach London flüchtete, kamen nach ihm noch viele andere Deutsche. Und Hampstead war immer erste Wahl. 1921 wurde hier Peter Ustinov geboren. Nach der Machtübernahme der Nazis setzte ein wahrer Emigrantenstrom ein; deutsche Konditoreien, Clubs und Restaurants entstanden. Zu den bekanntesten deutschsprachigen Zuzüglern gehörte Sigmund Freud. Der Seelendoktor aus Wien erreichte Hampstead 1938 schwer krebskrank, um dort "in Freiheit zu sterben". Er nahm alles mit nach England, auch seine berühmte Couch. Zu sehen ist sie in seiner Villa, die heute ein Museum ist.
Hampstead ist heute nicht mehr die Künstlerkolonie, die es lange war - es ist einfach zu teuer dort. Wohl aber ist es ein beliebter Wohnort für Popstars und Hollywood-Schauspieler. Helena Bonham Carter ("Zimmer mit Aussicht") wirft sonntagvormittags ihr Leergut in den Glascontainer in der England's Lane ein und Oscar-Preisträgerin Emma Thompson ("Wiedersehen in Howards End", "Sinn und Sinnlichkeit") lebt noch immer in derselben Straße, in der sie in den 60er Jahren aufwuchs. Die Reichen und Schönen wissen es zu schätzen, dass sie in Hampstead keine Autogrammjäger zu fürchten haben. Die ganz normalen Touristen kommen meistens nicht so weit - und jeder, der hier wohnt, würde es als peinlich empfinden, einen Star anzuquatschen.
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