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Graz - Hauptstadt der Steiermark Graz - Hauptstadt der Steiermark: Die Heimat des Terminators

Von Ursula Wiegand 02.01.2003, 16:02

Halle/MZ. - Diesen Anblick verdient haben sich vor allem diejenigen, die vom Schlossplatz tapfer 260 Stufen emporgestiegen sind. Bequemer hinauf geht's mit der betagten Schlossbergbahn oder dem neuen Lift. Die Grazer sind stolz auf ihren Uhrturm, haben sie ihn doch im Jahr 1809 Napoleon abgekauft. Eigentlich wollte ihn der Kaiser sprengen, zusammen mit der Festung auf dem benachbarten, 474 Meter hohen Schlossberg. Von der sind nur noch Relikte übrig. Seit 1712 tickt das Uhrwerk unverdrossen, doch die Fremden stutzen: Der große Zeiger weist auf die Stunden, der kleinere auf die Minuten. Graz nutzt jedenfalls die Gunst der Stunde und das Kultur-Großereignis, um Touristen anzuziehen. Eines der spektakulärsten Projekte ist das Grazer Kunsthaus, das jenseits der Mur emporwächst. Das Bauwerk, konzipiert von den Londoner Architekten Peter Cook und Colin Fournier, wirkt wie ein Weltraumschiff: Über ein Stahlkorsett wölbt sich eine Haut aus Polyacryl, deren Form wahlweise an ein Ufo oder an ein Spenderherz erinnert. Einen Spitznamen hat es schon: "A friendly Alien" - ein freundlicher Außerirdische. Eröffnung ist allerdings erst im September.

Die Mur selbst hat bereits eine neue Brücke erhalten, den Mursteg. Nun bekommt sie noch eine Insel mit Amphitheater, Kinderspielplatz und Café. Außerdem erhält der Fluss eine "Terminator-Welle", eine Verschärfung der Strecke für die Kajak-Rodeo-Weltmeisterschaft im Juli. Namensgeber ist der aus Graz stammende "Terminator" Arnold Schwarzenegger. "Graz darf alles", tönt die Stadt selbstbewusst und hat auch die Einheimischen schon öfter mal geschockt. Allein schon die drei Universitäten mit mehr als 40 000 Studenten sorgen für frischen Wind. In diesem Umfeld erhält zeitgenössische Architektur eine Chance. Weitere Projekte verdeutlichen das. Die neue Helmut-List-Halle mit 1 200 Plätzen soll ab 9. Januar die Musikfreunde mit perfekter Akustik erfreuen. Das Literaturhaus, ein Umbau des bisherigen Kulturhauses, wird im März eröffnet. Im Herbst soll das interaktive Kindermuseum im Grazer Augarten fertig gestellt sein.

Als Spielerei erscheint dagegen der gläserne Lift neben der Marienstatue am Eisernen Tor. Der skurrile Zweck: in Augenhöhe mit der Gottesmutter auf die Stadt blicken. Ein gelungenes Beispiel für strenge Moderne ist bereits vorhanden: die 03-Bar neben der Mariahilferkirche. Zu Kaffee, Kuchen und warmen Speisen gibt's Infos vom Servierpersonal und auf Wunsch den entsprechenden Computerausdruck. Denn die Bar fungiert gleichzeitig als Infocenter für "Graz 2003". Auch für den ersten Eindruck haben die Grazer etwas getan: Der Bahnhof wurde Besucher-freundlich umgebaut. Am neuen Airport-Tower können die Ankömmlinge gleich das Veranstaltungsprogramm ablesen. Autofahrer werden Kulturhauptstadt-konform in die Stadt geleitet. Hier erwartet sie zum Glück - trotz all dieser Neuheiten - nach wie vor das traditionsreiche Altstädtchen mit viel südländischem Flair.

Das verdankt Graz der oberitalienische Renaissance, die hier vielerorts dominiert. Am schönsten zeigt das der Arkadenhof des Landhauses, ein idealer Ort für Open-Air-Konzerte. Viele Menschen werden wie eh und je auf dem Franziskanerplatz neben der gleichnamigen Kirche in der Sonne sitzen und die besondere Atmosphäre dieses Gevierts genießen.

Natürlich hat sich auch die Altstadt heraus geputzt, vor allem der bereits 1160 angelegte Hauptplatz. Viele biegen aber schnell in die Sackgasse ab, durchstöbern manch nette Boutique. Graz macht Shopping-Freaks glücklich. Letztendlich streben wohl alle zur Sporgasse, dem Nonplusultra der Altstadt. Im Innenhof von Haus Nr. 22, einst das Domizil des Deutschen Ritterordens, gibt es eine seltene Mischung von gotischen und Renaissance-Bogengängen zu sehen. Auch lohnt es sich, mal nach oben zu schauen, blickt doch unter der Dachrinne vom Palais Saurau ein Säbel-schwingender Mohr herab.

Kenner zieht es in die 1596 gegründete Konditorei Strehly in der Sporgasse. Bei einer Grazer Schlossbergkugel, eine Spezialität, läuft Süßschnäbeln das Wasser im Munde zusammen. Andere schwören auf die traditionsreiche Hofbäckerei in der Hofgasse. Abends wetteifern schlichte Beisln, steirisch orientierte Gasthäuser sowie Ethno- und Haubenlokale um Gäste. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Die bleibt aber vermutlich die einzige in dieser animierenden Kulturhauptstadt Europas.