Geschützt, aber noch nicht gerettet
Cobbelsdorf/MZ. - Wenn auch ein Grauschleier, von Abgasen und Witterung herrührend, über den Farben liegt und sich der wilde Wein von der rechten unteren Ecke einen Quadratmeter nach dem anderen erobert - das Wandbild an der Fassade des ehemaligen Cobbelsdorfer Kulturhauses wirkt nicht einmal unmodern.
So, als hätte sein Schöpfer schon vor mehr als 35 Jahren gewusst um Gentechnik und satellitengesteuerte Mähdrescher und Traktoren. Nur, dass heutzutage an deren Front nicht mehr der rote Stern und die kyrillische Aufschrift "Kirowez" prangt. Es ist ein typisches Werk sozialistischer Auftragskunst, und deshalb sollte es nach der Wende geschleift werden, erzählt Heidrun Hahn, Geschäftsführerin des Cobbelsdorfer Kartoffelgasthauses, zu dem der Saal nun gehört.
"Glücklicherweise gab es hier ein paar kühle Köpfe", nennt Frau Hahn diesbezüglich die Landwirtschafts-Matadoren Horst Saage und Gerhard Sittig sowie auch den Volksbank-Chef Albrecht Hatton, den Niedersachsen, der zunächst in Dessau und dann in Senst seine neue Heimat gefunden hat. Sie alle meinten, dass es erst einmal Wichtigeres zu tun gebe im Dorf.
Damit war - Absicht oder nicht - Zeit gewonnen, in der sich die Auffassung vieler Cobbelsdorfer zu diesem Wandgemälde wandelte und sich die Meinung durchsetzte, dass es einfach ins Dorf gehöre, weil es eben seine Geschichte dokumentiere, auch wenn es nicht mehr dem Zeitgeschmack entspricht. Das sei doch aber, meint jedenfalls Heidrun Hahn, Schicksal aller Kunstwerke: "Jedes steht für seine Zeit."
So wurde - mit dem Segen des Gemeinderates - das Cobbelsdorfer Wandgemälde am 19. September 2001 in das Denkmalschutzverzeichnis des Landkreises Anhalt-Zerbst aufgenommen. "Damit war's erst mal geschützt." Es wieder aufzufrischen, fehlte jedoch weiter das Geld.
2002 spielte Heidrun Hahn der Zufall eine Illustrierte in die Hände, in der im Zusammenhang mit einem Bericht über einen Rechtsstreit eine Erfurter Fassade mit fast dem gleichen Gemälde abgebildet war. "Ich hätte geschworen, dass es unser Bild ist, wenn ich nicht genau gesehen hätte, dass die Aufnahme nicht in Cobbelsdorf gemacht wurde", erzählt die Cobbelsdorfer Gasthaus-Chefin. Immerhin hatte sie nun eine Spur zum Schöpfer des Gemäldes, von dessen Namen in Cobbelsdorf nur in Erinnerung war, dass er mit "E" anfängt.
Als Heidrun Hahn den 73-jährigen Erich Enge dann endlich an der Telefon-Strippe hatte, konnte der seine Rührung und Freude darüber, dass das Bild Denkmalschutzstatus hat, kaum verbergen. "Er hat schon einige seiner Bilder verschwinden sehen", kann Frau Hahn die Reaktion verstehen. Enge habe den Cobbelsdorfern seine Hilfe angeboten, falls sie das Bild restaurieren wollen. Wer, wenn nicht der Schöpfer, weiß so genau Bescheid über die Beschaffenheit von Grund und Farbe?
An eine Restaurierung denken die Hausherren schon. Im nächsten Jahr feiert Cobbelsdorf sein 650-jähriges Bestehen. "Das wäre ein schönes Geburtstagsgeschenk", sagt Frau Hahn, dass sie das bis dahin gern schaffen würden. Doch die Finanzierung ist noch unklar. Die Hoffnung, dafür Mittel aus Denkmalschutz-Fördertöpfen zu bekommen, ist eher vage.
Denn auch da gibt es wohl gerade immer etwas Wichtigeres zu tun.