Fußball Fußball: Pokal-Helden treffen auf Dynamo-Kreisel
Wittenberg/MZ. - Unglaublich, wie schnell doch die Zeit vergeht. Das alles ist 30 Jahre her: Die Fußballfans schwärmen in der Saison 1975 / 76 von Dynamo Dresden. Die Sachsen fahren den ersten von drei Titeln ein. 43:9 Punkte und 70:23 Tore markieren neue Bestmarken. Beim Nationaltrainer hatten die Dynamos nicht unbedingt eine Lobby. "Aber wir haben eine super Saison gespielt, und Georg Buschner musste uns schließlich doch noch nominieren", so Dieter Riedel, der gemeinsam mit fünf weiteren Dynamos in Montreal Olympiasieger wird. Ein Quartett der Goldmedaillensieger - Riedel, Hans-Jürgen Dörner, Reinhard Häfner und Gert Heidler - läuft am Samstag ab 13 Uhr im Piesteritzer Volkspark auf, um gegen die Traditions-Elf vom FC Grün-Weiß Piesteritz noch einmal den legendären Dynamo-Kreisel zu präsentieren.
"Der Kreisel ist heute mit dem Spiel von Barcelona zu vergleichen. Wir waren ständig in Bewegung, die Bälle wurden flach gehalten mit entsprechendem Kurzpass-Spiel. Wir waren stark am Ball und vor allem auch im Spiel ohne Ball. Das sieht man heute kaum noch", so Riedel, der damals mit dem Kreisel sogar die großen Bayern schwindlig spielte. "Das sind solche unvergessenen Partien, auf die ich heute als Lehrer noch von meinen Schüler angesprochen werde", so der 58-Jährige. Es war das Duell der Landesmeister 1973 / 74. Ein umstrittene Schiedsrichterentscheidung ermöglichte Gerd Müller das 3:3 in Dresden und damit das Weiterkommen. "Entscheidend", so der DDR-Nationalspieler heute, "waren unsere Wechselfehler im Olympiastadion beim 3:4." Dabei kritisiert Riedel - die Dynamos führten - seine eigene Sturm-Einwechslung beim 3:3. Schließlich blieb Abwehr-Recke Klaus Sammer auf der Bank. In Piesteritz sollen - Riedel kündigt 16 Spieler an - möglichst alle zum Einsatz kommen. Angesagt haben sich unter anderem Matthias Döschner, Frank Ganzera, Claus Boden, Bernd Jakubowski und Frank Lippmann.
Und diese international erfahrenen Kicker treffen auf die großen Piesteritzer Pokalhelden. Und auch das ist schon wieder 30 Jahre her: Im Bezirkspokalendspiel bezwang die damalige BSG Chemie als krasser Außenseiter Fortschritt Weißenfels in Köthen vor 3 000 Zuschauern mit 1:0. Rudi Frank war der Torschütze. "So was vergisst man nicht", so der Piesteritzer Ehrenspielführer, der bis zum Schlusspfiff nicht merkte, das er sich eine schwere Verletzung zugezogen hatte. Und fast wäre es bereits im DDR-Pokal zum Aufeinandertreffen mit dem gefürchteten Kreisel gekommen. Doch die Gröditzer, die den Elfmeter-Krimi gegen Piesteritz gewannen, durften sich über das Los Dresden freuen. Trotzdem: "Es war die erfolgreichste Zeit des Piesteritzer Fußballs, auch wenn es nicht mehr zum Pokalsieg oder zur Bezirksmeisterschaft reichte. Die Begeisterung war nicht nur in der Mannschaft groß. Zwischen 600 bis 800 Zuschauer kamen zu den Heimspielen", erzählt Gerhard Müller von erfrischendem Angriffsfußball, der die Menschen in Scharen ins Stadion lockte. Er selbst wurde vor 30 Jahren - allerdings erst nach dem Finale - Trainer im Volkspark. Und der Ex-Schkopauer, der dort die A-Jugend coachte und zuvor ein anerkannter Keeper war, steht jetzt vor seinem Comeback.
Er soll mit seinen einstigen Spielern nun doch noch den Dynamo-Kreisel außer Gefecht setzen. Müller - "Wir wollen nicht zweistellig verlieren, eine Niederlage mit weniger als fünf Gegentoren ist schon ein Erfolg." - setzt dabei auf eine Vierer-Abwehrkette. Werner Puhlmann, Jörg Leupold, Peter Irmer und Wilfried Lehmann sollen das von Klaus Ruppelt gehütete Tor abschirmen. Edgar Gnauert, Wolfgang Findeklee, Bodo Schulz und Karsten Riedeberger werden im Mittelfeld versuchen, den Dynamos Paroli bieten. Christian Klauß und Jürgen Roscher könnten in der Offensive Akzente setzen. "Wir werden defensiv beginnen, spielen mit einer Spitze, dahinter wird Roscher, der das läuferisch schafft, agieren", kündigt Müller an. Der Coach, der erst am Samstag über die exakte Aufstellung befinden wird, hat im Kader gute Alternativen. So wird es auch mit dem Serien-Torschützenkönig, Martin Buchheim, ein Wiedersehen geben. Zum Kader gehören aber auch Harald Köhler, Falk Steinkopf und Bruno Weiß. "Alle wollen spielen", sagt Müller und spürt sie wieder, die "Euphorie wie vor 30 Jahren".