Formel 1 Formel 1: Helm aus Magdeburg rettete Massa
MAGDEBURG/MZ. - Der Betreuer vor Ort hatte den Helm des Brasilianers gesehen und seine Eindrücke in die Firmenzentrale übermittelt.
Im Fahrerlager von Budapest waren sich alle Experten einig: Der Kopfschutz hatte Massa das Leben gerettet. Der Brasilianer war bei Tempo 290 mit einer rund 800 Gramm schweren Feder kollidiert. Vor fünf Jahren, so die Ingenieure, hätte er den Aufprall nicht überlebt. "Doch jetzt", sagt Schuberths Formel-1-Projektleiter Oliver Schimpf, "muss es unser Ziel sein, die Sicherheit so weit zu verbessern, dass der Fahrer beim nächsten Mal unverletzt bleibt."
Wir sind in Magdeburgs Norden. Die Formel 1 ist hier scheinbar weit weg. Auf der Autobahn von Hannover nach Berlin ist eher die alltägliche Raserei zu Hause. Doch im Stadtteil Rothensee, fast in Rufweite der A2, baut die Firma Schuberth jene Helme, die in der Motorsport-Königsklasse Leben retten. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Entwicklern. In der Formel 1 sind die Deutschen Nick Heidfeld und Nico Rosberg Kunden, ebenso das Ferrari-Team mit seinen Piloten Kimi Räikkönen und Felipe Massa. Michael Schumacher hat einst die Zusammenarbeit des italienischen Rennstalls mit den Magdeburgern forciert.
Jedes Jahr auf dem Prüfstand
Moderne Renn-Helme haben enorme Sicherheitsstandards erreicht. Massas Kopfschutz, an dem Schumacher einst mitentwickelt hat, wurde in den vergangenen fünf Jahren sieben Mal überarbeitet. Der Name "RF 1.7" zeugt davon. "Die Sieben steht für die Revisionsstufen, die wir durchgeführt haben", sagt Schimpf. Eigentlich würden die Sicherheitsvorgaben nur alle zehn Jahre überarbeitet. "Wir stellen unsere Standards aber jedes Jahr auf den Prüfstand."
Die Konsequenz ist, dass die Formel-1-Helme schier atemberaubende Werte zu bieten haben. Der "RF 1.7" wiegt nur 1 350 Gramm. Das Visier ist vier Millimeter dick und besteht aus Polycarbonat. Die Schrauben am Visier und am Kinnriemen sind aus ultraleichtem Titan gefertigt. Der Helm selbst besteht aus 18 Kohlefaserschichten, die bei einem Aufprall enorme Energien abfangen können. Auch Formel-1-Autos sind nach diesem Prinzip gebaut. Einziger Nachteil: Die Bauweise ist so teuer, dass sie für den Gebrauch im normalen Straßenverkehr nicht erschwinglich ist. Schuberth gibt Massas Helm mit einem Preis von 12 000 Euro an.
Doch trotz der enormen Sicherheitsstandards hat der Unfall von Budapest Stimmen laut werden lassen, die Messlatte für Helme noch einmal zu erhöhen. Ein zentraler Kritikpunkt ist dabei das Gewicht. Das Formel-1-Reglement definiert nämlich nur eine Maximalvorgabe von 1 800 Gramm. Angesichts der technischen Fortschritte, so die Kritik, sei inzwischen ein Minimalgewicht wesentlich sinnvoller.
Bei Ingenieuren ist dieser Standpunkt umstritten. "Grundsätzlich", sagt Schimpf, "ist es schon so, dass mehr Gewicht auch mehr Sicherheit bedeutet. Wir sind hier nur sehr schnell im Bereich der Unzweckmäßigkeit." Was er meint: In einem Formel-1-Auto wirken enorme Fliehkräfte. Beim Bremsen werden die Fahrer mit bis zum 5,5-fachen ihres Körpergewichts in die Gurte gedrückt. Beispiel Massa: Er wiegt 59 Kilogramm, auf ihn wirken dann knapp 325 Kilo. Jedes Gramm, das ein Helm mehr wiegt, erhöht also die Belastung. Und das birgt Risiken. Das größte ist die Gefahr eines Genickbruchs.
Sorge um Massas linkes Auge
Ungeachtet der Diskussionen bleibt in der Formel 1 die Sorge um den verunglückten Felipe Massa. Das AEK-Krankenhaus in Budapest bezeichnet seinen Zustand weiter als stabil. Neue Untersuchungen, so der behandelnde Professor Robert Veres am Montag, hätten aber ergeben, dass der Sehnerv im linken Auge womöglich geschädigt sein könnte. Das würde die Karriere des Vize-Weltmeisters gefährden.
Die Anforderungen an Formel-1-Helme sind vom Weltverband Fia im Reglementsanhang L, Kapitel III, Absatz 1.3 festgeschrieben. Sie sind im Internet abrufbar unter www.fia.com