Formel 1 Formel 1: Erster im 111. Anlauf
Shanghai/mz. - Keke Rosberg saß tausende Kilometer entfernt in seinem Landhaus in der Provence vor dem Fernseher. Die erste Pole-Position seines Sohnes Nico und dessen ersten Sieg in der Formel 1 nahm er mit ausgestrecktem Mittelfinger zur Kenntnis. Objektiv betrachtet konnte der frühere Weltmeister gar nicht anders, sein Finger ist nach einem Sturz eingegipst. Doch das körperliche Handicap hätte man auch gern als visuelle Antwort auf jene Kritiker verstehen können, die seinen Sohn schon abgeschrieben hatten.
Nico Rosberg hat am Sonntag in Shanghai einen wahrhaft historischen Erfolg gefeiert. Sein erster Sieg in einem Formel-1-Rennen war zugleich der erste für das Mercedes-Werksteam. Seit 2010 operieren die Stuttgarter wieder als eigenständiger Rennstall. Zuletzt hatte ein Mercedes-Silberpfeil 1955 in Monza gewonnen. "Es ist ein unglaubliches Gefühl. Wir haben zwei Jahre auf einen Sieg gewartet. Das war sowohl für mich als auch für das Team eine lange Zeit. Jetzt ist er hier."Für Rosberg selbst war die Zeit sogar noch länger. Shanghai war das 111. Formel-1-Rennen seiner Karriere. Mehr als sechs Jahre hatte er also auf diesen Moment warten müssen, dafür aber war der Sieg vor den McLaren von Jenson Button und Lewis Hamilton umso überzeugender. Rosberg konnte über 20 Sekunden Vorsprung herausfahren, weil seine Verfolger in Positionskämpfen Zeit verloren.
Mag ein Erfolg mit mehr als sechsjähriger Wartezeit unerwartet kommen, eine Sensation war er dennoch nicht. "Sein Sieg hat nicht mich überrascht, sondern alle anderen, die an Nico Rosberg gezweifelt haben", sagte Gerhard Berger. "Nico hat das ganze Wochenende dominiert. Er hat allen gezeigt, dass er Weltmeister werden kann."
Berger hatte in seiner Funktion als BMW-Motorsportdirektor Rosberg im Jahr 2002 erstmals in einem Formel-1-Auto testen lassen. Mit 17 Jahren war Rosberg seinerzeit in Barcelona der jüngste Pilot aller Zeiten, der in einem offiziellen Test fuhr. "Für mich", sagt Berger heute, "gehört Nico zusammen mit Vettel, Hamilton, Button und Alonso zu den besten fünf Piloten. Und wenn das Auto auch im Rennen wie in China gut genug ist, ist er für mich längst WM-reif."
Ungewollt hat Nico Rosberg nun auch den Konkurrenzkampf in seinem Team neu angeheizt. Nach zwei dominanten Saisons hatte der 26-Jährige die ersten beiden Qualifikationen des Jahres 2012 gegen seinen Teamkollegen Michael Schumacher verloren und musste sich heftiger Kritik der Ex-Weltmeister Jackie Stewart und Niki Lauda stellen. Rekordweltmeister Schumacher habe die Rangordnung endlich wieder hergestellt, meinte Stewart. Und Lauda analysierte, dass Rosbergs sauberer Fahrstil für den aktuellen Mercedes nicht mehr schnell genug sei.
Fest steht: Beim Großen Preis von China hat Rosberg alle Kritiker eines Besseren belehrt. Eine halbe Sekunde brummte er Schumacher im Qualifying auf und bestätigte damit seine Überlegenheit aus den vergangenen Jahren. Im Rennen fuhr er gleich nach dem Start davon und legte so den Grundstein für seinen ersten Sieg. "Ich wusste, dass wir diesmal die Reifen im Griff hatten. An den Sieg habe ich aber erst nach dem letzten Boxenstopp von Jenson Button geglaubt. Da wusste ich, jetzt muss ich alles nur noch kontrollieren."
Teamkollege Schumacher hätte vermutlich um Rang drei gekämpft - wäre er nicht schon direkt nach dem ersten Boxenstopp in Runde 13 ausgerollt. Ein Mechaniker hatte ein Rad nicht festgezogen, Schumacher musste aufgeben. Trotzdem blieb er ein fairer Pechvogel. "Ich bin happy über den Sieg von Nico und Mercedes. Das zeigt, wie hart wir gearbeitet haben."
Vettel fährt nach vorn
Weltmeister Sebastian Vettel machte in Schanghai noch das Beste aus seinem schwachen Qualifying-Ergebnis. Nach seinem elften Startplatz holte er als Fünfter zehn WM-Punkte. "Wir wissen, woran wir arbeiten müssen. Das Auto für das Qualifying schneller machen und den Speed auf der Geraden verbessern. Der ist nämlich dünn. Es war unmöglich zu überholen." Vettel prognostiziert: "Schon nächste Woche in Bahrain, sehen wir wieder besser aus. Noch ist gar nichts verloren."
In der Tat: Mit Jenson Button (McLaren), Fernando Alonso (Ferrari) und Nico Rosberg (Mercedes) gab es in drei Rennen drei verschiedene Sieger auf drei verschiedenen Autos. Die Kräfteverhältnisse in der Formel 1 verschieben sich derart schnell, dass Vettels 17 Punkte Rückstand keine große Bedeutung haben. An der WM-Spitze geht es eng zu: McLaren-Pilot Lewis Hamilton führt mit 45 Punkten - obwohl er in allen Rennen nur Dritter wurde.