Firmen der Region: Tonfunk Ermsleben Firmen der Region: Tonfunk Ermsleben: In der Wendezeit die Chance genutzt
Ermsleben/MZ. - Bei der Ermslebener Tonfunk GmbH reiht sich eine Millionen-Investition an die nächste. Für acht Millionen Mark erwarb das Unternehmen im vergangenen Jahr Siemens-Automaten, um Leiterplatten noch schneller und präziser bestücken zu können. Nun sollen in den kommenden zwei Jahren noch einmal 6,5 Millionen Mark in eine weitere Produktionshalle und in neue Technologie fließen. Schon in ein paar Monaten werde der Grundstein dafür gelegt, sagt Geschäftsführer Siegfried Haun.
Tonfunk, eines der führenden deutschen Unternehmen bei der Leiterplatten-Produktion, will in die nächste Klasse der elektronischen Baugruppen aufsteigen. "Bonden" heißt das Schlüsselwort. Mit einem Golddraht werden elektronische Chips auf Leiterplatten oder Glas aufgebracht. Damit können noch mehr Gebrauchseigenschaften auf sehr begrenztem Raum untergebracht werden. Eine zukunftsträchtige Technologie, die bald auch in Ermsleben zum Standard gehören soll.
Tonfunk ist einer der DDR-Betriebe, der die Wende als Chance nutzte und neue Märkte erschloss. Der außergewöhnliche Aufstieg des Unternehmens im wirtschaftlich eher schwachen Harzvorland liegt aber auch in seiner Geschichte begründet. Als Produktionsgenossenschaft des Handwerks wurde Tonfunk 1958 in Ermsleben mit über 100 Teilhabern gegründet. 130Menschen arbeiteten in dem Betrieb, der Geräte für Feldstärkemessung herstellte. Für einen unabhängigen Betrieb in der DDR sei das zu viel gewesen, meint Siegfried Haun. 1972 kam die Enteignung und die Umwandlung in VEB Tonfunk. Bis zur Wende fertigten die Ermslebener vor allem Baugruppen für Fernsehgeräte von RFT aus Staßfurt. Mit der Wende verlor RFT seine Sonderstellung und damit brach auch der Markt für Tonfunk zusammen.
Siegfried Haun gehörte schon in den 60er Jahren zu den Tonfunk-Genossenschaftlern und 1991 war er einer derjenigen, die dem Unternehmen eine reelle Chance gaben. "Wir haben alle 176 Teilhaber der früheren Genossenschaft zusammengerufen und sie vor die Wahl gestellt: Entweder gegen eine Abfindung den Anteil abgeben oder Gesellschafter einer GmbH werden. Das letzte hieß natürlich, dem jungen Unternehmen zunächst auch finanziell unter die Arme zu greifen", erinnert sich Haun an die ungewisse Zeit im Jahr 1991. 48Teilhaber waren zuversichtlich und entschieden sich, Tonfunk die Treue zu halten. Der Mut von damals wird heute belohnt. "Wir haben unseren Umsatz von fünf Millionen Mark im ersten Jahr auf mehr als 50 Millionen gesteigert. Unsere Gesellschafter bekommen jedes Jahr mehr als den normalen Zinssatz ausgeschüttet", sagt Haun. Kein Wunder, dass bei Tonfunk immer wieder eine besondere Mitarbeitermotivation konstatiert wird, denn 42 der 48Gesellschafter sind noch im Unternehmen beschäftigt.
Außergewöhnlich ist die Entwicklung des Unternehmens auch deswegen: Tonfunk hatte Anfang der 90er Jahre kein eigenes Produkt. "Wir hatten qualifizierte Mitarbeiter und auch Maschinen, aber das Produkt fehlte", erzählt Siegfried Haun. Das Management entschied sich, Tonfunk auf dem Markt als kompetenten, technischen Begleiter anzubieten. Das Konzept ging auf. Tonfunk fand Aufträge bei Blaupunkt und Bernstein, lieferte intelligente Sensoren und Teile für Autoradios. Inzwischen sind Kompetenz und Qualität in verschiedenen Branchen anerkannt. Heute produziert das Unternehmen unter anderem ABS-Elektronik für Bosch oder Medizintechnik für Philips.