Fechten Fechten: Vize-Weltmeister Wolfgang Reich fängt neu an

Heidenheim/dpa. - Ein zunächst ganz normaler Tag hat das Leben von Wolfgang Reich dramatisch verändert: Zuerst erschien das Fernsehbild unklar, dann versagten die Beine, später quittierte auch das Sprachzentrum den Dienst. Der Vize-Weltmeister mit dem Degenteam musste nach einem Schlaganfall Ende Oktober 2003 nicht nur seine Olympia-Hoffnungen begraben, sondern kämpft bis heute mit den Folgen.
Verbittert ist der 24-Jährige aus Heidenheim deswegen jedoch nicht, vielmehr dankbar: «Beide Beine waren gelähmt, aber jetzt kann ich wieder laufen wie früher.» Probleme mit dem Namensgedächtnis sind inzwischen fast überwunden, Schwierigkeiten mit der linken Hand und der Körperkoordination verschwinden hingegen nur langsam.
Schlaganfälle bei Leistungssportlern sind seit dem Fall des Ringers Alexander Leipold in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt, doch die Ursache für Wolfgang Reichs Krankengeschichte kann auch jedem Kassenpatienten passieren. Am Tag vor dem Mannschaftsfinale bei der Fecht-Weltmeisterschaft im Oktober 2003 in Havanna rutschte Reich im Training ein Halswirbel heraus. Beim Einrenken durch den deutschen Physiotherapeuten ist wohl die Hauptschlagader gerissen. Die dadurch entstandene Blutkruste fiel irgendwann ab, löste sich jedoch nicht auf, sondern wanderte in die Gehirnregion und verursachte dort den Schlaganfall.
«Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, liegt bei etwa 1 zu 50 000», sagt Wolfgang Reich. Ich mache niemanden einen Vorwurf, unser Physiotherapeut ist ein absoluter Profi. Es war ein unglücklicher Zufall. Niemand weiß, ob es beim Aus- oder Einrenken passiert ist.» Dieser Zufall allerdings passiert immer häufiger. Eine Untersuchung an 13 deutschen Uni-Kliniken ergab, dass 36 Patienten nach einer Manipulation im Halswirbelbereich einen Schlaganfall erlitten. Einer von ihnen starb, acht überlebten schwerstbehindert.
Für Wolfgang Reich ist der der Weg zurück zu alter Stärke noch weit: «Zuerst konnte ich mit der linken Hand sogar mein Handy nicht halten.» Nach einer kurzen Trainingspause absolvierte der Heidenheimer wieder erste Turniere. Allerdings verpasste er die angestrebte Olympia-Qualifikation. «Er agierte unkonzentriert. Koordinativ ist er noch nicht obenauf», meint Bundestrainer Walter Steegmüller, der Reich beim wichtigsten Weltcup-Turnier am Samstag in Heidenheim beobachten wird.
Im Training gegen gute Gegner zu gewinnen, dann aber im Wettkämpfen gegen schwächere zu verlieren, das stört den ehrgeizigen Reich. «Es ist die Frage, ob ich je wieder so gut werde wie früher», meint der Vorstand von mehreren Immobilien- und Aktiengesellschaften in Heidenheim. «Das ist aber nicht das Problem. Ich hätte auch im Rollstuhl landen können und bin froh, dass ich wieder laufen kann.»