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Fallschirmspringen Fallschirmspringen: Love is in the air

Von Elke Richter 04.08.2006, 16:56

Halle/MZ. - "Ja", ist der 36-jährige Nordrhein-Westfale auf dem Höhepunkt seiner Schwärmerei, "da geht echt die Post ab. Da vergisst man für eine knappe Minute, dass man fällt."

Und das ziemlich schnell. Denn Freeflying, eine der jüngsten Disziplinen im Fallschirmspringen, gilt als die schnellste nicht motorgetriebene Sportart der Welt. Mit einer Geschwindigkeit von 240 Stundenkilometern und mehr saust der Freestyler beispielsweise im Sitzen (Sitfly) oder kopfüber (Headdown) zur Erde. Dagegen geht es bei den Formationsspringern fast gemütlich zu. Die Sportler fallen hier mit etwa 190 Stundenkilometern Durchschnittsgeschwindigkeit bäuchlings und bilden mit anderen Springern im freien Fall Figuren. Die größte Sport-Formation übrigens, die jemals in der Luft war, bestand aus 400 Springern. Dieser Weltrekord wurde vor einem halben Jahr in Thailand aufgestellt und wird bei der heute beginnenden WM in Gera garantiert unangetastet bleiben. Denn beim sportlichen Event in Thüringen, an dem rund 400 Springer aus 30 Nationen teilnehmen, beschränkt man sich auf die gängigen Vierer- und Achter-Formationen, die in der vorgegebenen Zeit möglichst viele der vorher festgelegten Figuren absolvieren müssen.

Fünf der acht Titel, die in Gera vergeben werden, fallen unter den Oberbegriff Artistik. Freestyle, Skysurfen und Freefly heißen die neueren Disziplinen. Sie sind etwa vergleichbar mit dem Freestyle-Jumping im Skifahren. "Beim Freefly etwa wird in Dreiergruppen gesprungen; zwei so genannte Performer, die in jeder erdenklichen Körperlage - alles ist erlaubt - im Freifall fliegen, und ein Videograf", beschreibt Frank Täsler sein Metier und betont, dass dem Videomann eine besondere Bedeutung zukommt. Er nämlich hält im Freifall mit seiner Helmkamera alle Bewegungen fest, die nach der Landung von den Schiedsrichtern ausgewertet werden und die auch das Publikum auf der Videoleinwand sehen kann. "Je kreativer und sauberer die Aufnahmen der Pflicht- und Kürelemente sind, desto besser fällt die Bewertung für das Team aus", sagt der Nordrhein-Westfale, seit 1995 Fallschirmspringer. Mehr als 6 100 Sprünge hat der Freizeitsportler aus Herten absolviert, davon 2 000 mit seinem Team, das sich Free Flight Paratec nennt und fünf Mal deutscher Meister wurde. Bei der WM 2006 zählt es zu den heißen Favoriten.

"Unser Hobby verschlingt nicht nur viel Geld, sondern es ist auch sehr zeitintensiv", sagt Luftakrobat Täsler. Insider sprechen von durchschnittlich 15 000 Euro jährlich, die ein Mitglied der deutschen Nationalmannschaft für seinen Freizeitsport ausgibt, Fast jedes Wochenende und im Urlaub trainieren Servicetechniker Frank Täsler, Diplom-Kaufmann Michael Plünnecke (38) sowie Diplom-Ingenieur Hartmut Neumann (43) - der Kameramann reist jedes Mal aus München an - in Soest ihre atemberaubenden "Luftnummern", die Totem heißen oder Double head down dock. Und die bei der WM zu sehen sind, wenn das Trio in exakt 4 000 Metern aus der Twin Otter, die mit 140 Stundenkilometern fliegt, aussteigt. Bis bei etwa 1 300 Metern die Fallschirme geöffnet werden, bleiben rund 45 Sekunden Zeit für die Pflicht- und Kürfiguren, bei denen Täsler und Plünnecke kopfüber oder mit den Füßen voran auf die Erde zusausen. Die Arme und Beine nutzen sie wie Flügel für die radikalsten Manöver oder für fast zärtliches Andocken an den Sprungpartner. "Love is in the air", scherzt Frank Täsler. Und das findet er ungeheuer prickelnd.