EM 2004 EM 2004: Kurz vor dem Anpfiff: Probleme auf der Zielgeraden

Lissabon/Hamburg/dpa. - Das Land ist im Fußball-Fieber, die Stadien sind praktisch fertig - doch knapp fünf Monate vor dem Anstoß ist Portugal noch lange nicht EM-reif. Auf der Zielgerade der Vorbereitung türmen sich bei den Organisatoren plötzlich die Probleme. Die Kapazität der Flughäfen reicht nicht aus, viele Anfahrtswege zu den Stadien sind noch im Bau, es gibt zu wenige Hotelbetten, der Schwarzmarkt blüht, und die Polizei klagt über fehlende Sicherheitskonzepte.
«Wir müssen ein bisschen Gas geben. Es gibt noch einige harte Nüsse zu knacken», sagt Organisationschef Martin Kallen im dpa- Gespräch. Der 40 Jahre alte Schweizer ist Geschäftsführer der «EURO 2004 S.A.», einem eigens für die EM gegründeten Joint Venture von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) und dem portugiesischen Fußball- Verband (FPF). Seine größte Sorge ist, wie der Ansturm der rund 500 000 ausländischen Besucher während des Turniers vom 12. Juni bis zum 4. Juli bewältigt werden kann. «Die Bedürfnisse sind riesig», weiß Kallen.
Weil die drei zivilen Flughäfen des Landes zu klein sind und obendrein Sicherheitsmängel aufweisen, haben die EM-Planer bei der portugiesischen Regierung um die Nutzung von zwei Militärflughäfen bei Lissabon und Porto gebeten. Die Antwort steht noch aus. Kopfzerbrechen bereitet auch die Infrastruktur rund um die zehn neu erbauten oder vollkommen renovierten EM-Arenen - vor allem in der nördlichsten Stadt Braga. Dort parkten die Fans am vergangenen Wochenende - vom Stau entnervt - ihr Fahrzeug sogar auf der Autobahn und marschierten zu Fuß ins architektonisch gewagte «Estadio Municipal».
Der portugiesische Verbandschef Gilberto Madail hat die Kommunen zu Wochenbeginn aufgefordert, die Bauarbeiten an Straßen, Parkplätzen und S-Bahn-Netzen zu forcieren. Betroffen davon sind außer Coimbra und Guimares alle EM-Städte. Im brandneuen «Estadio do Dragao» in Porto, wo die deutsche Mannschaft am 15. Juni gegen den Erzrivalen Niederlande ins Turnier einsteigt, bereitet das Spielfeld große Probleme. Möglicherweise muss der Rasen wie zuvor im «Estadio da Luz», der Heimat von Benfica Lissabon, noch einmal komplett ausgetauscht werden.
Nach Ansicht von Kallen werden die Probleme rechtzeitig zum Turnierstart ausgeräumt sein, man sei «grundsätzlich gut im Plan». Und schließlich hätten die Portugiesen bereits in der Vergangenheit ihre Flexibilität und Improvisationskunst unter Beweis gestellt. Vor viereinhalb Jahren, als der krasse Außenseiter gegen die Mitbewerber Spanien sowie Österreich/Ungarn den Zuschlag erhielt, genügte kein einziges Stadion EM-Ansprüchen. Für die vergleichsweise bescheidene Summe von 800 Millionen Euro wurde dieser Missstand bemerkenswert zügig und grundlegend behoben.
Die UEFA schreibt sich einen Großteil des Erfolges auch auf die eigenen Fahnen. Im Gegensatz zu früheren Europameisterschaften überließ sie das Organisieren nicht dem Gastgeber, sondern schaltete sich durch die Kooperation mit FPF von Anfang an aktiv ins Geschehen ein. «Ich glaube, dass dies das Modell der Zukunft ist», meint UEFA- Mann Kallen, der bereits seit 20 Monaten seinen Amtssitz nach Lissabon verlegt hat und dort derzeit 125 Mitarbeitern vorsteht.
Allerdings haben Kallen und sein Team nicht auf alles Einfluss. Die Hotelpreise während der EM sind explodiert, nicht zuletzt deshalb, weil es in den Metropolen zu wenige Betten der gehobenen Kategorie gibt. Und auch bei den Eintrittskarten betreiben Geschäftemacher ihr Unwesen, bieten über Internet-Auktionen für vierstellige Dollarbeträge Tickets an.
Dies bereitet vor allem den Sicherheitsexperten Sorgen, weil dies die Trennung der Fan-Gruppen erschwert. Die Behörden wollen dem Problem mit massiven Kontrollen Herr werden. Deshalb droht dem ein oder anderen Fan, der sich auf dem Schwarzmarkt bedient, ein böses EM-Erwachen: Denn gleich drei Schleusen muss der EM-Besucher bis ins Stadion passieren.